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Prof. Dr. Daniel Zimmer

© Doris Spiekermann-Klaas

Drama um Kaiser's Tengelmann: „Der Kaiser’s-Chef ist schuld an der Misere“

Daniel Zimmer hatte nach dem Streit um den Verkauf der Kette Kaiser' Tengelmann an Edeka seinen Posten als Chef der Monopolkommission aufgegeben. Jetzt spricht er über die Fehler des Supermarktdeals.

Zum Beispiel?

Aus Wettbewerbsgründen wäre ein Verkauf der Filialen an unterschiedliche Erwerber von Anfang an der beste Weg gewesen. Edeka hätte ja immer noch viele Läden übernehmen können, aber eben nicht alle. Das wäre auch mit Blick auf die Arbeitsplätze die günstigste Lösung gewesen. Durch Haubs Sturheit ist die Sache jetzt sehr schwierig geworden.

Sie waren bis zum Frühling  Vorsitzender der Monopolkommission. Haben Sie Herrn Haub damals kennen gelernt?

Die Monopolkommission hat damals ein Gutachten erstellt und während des Verfahrens mit allen Beteiligten gesprochen. Wir sind dabei auch den Herren Haub und Markus Mosa von Edeka begegnet.

Verstehen Sie, warum sich Haub von Anfang an so auf Edeka versteift hat?

Man kann nur spekulieren. Es ist  einfacher, an einen zu verkaufen. Vielleicht war das Angebot von Edeka  auch attraktiver als andere. Aber wenn sich herausstellt, dass der Weg nicht gangbar ist, muss man schauen, wie man aus der Sache herauskommt.

Viele haben Schaden genommen, Bundeswirtschaftsminister Gabriel steht in der Kritik, die Arbeitnehmer von Kaiser’s Tengelmann haben Angst um ihre Jobs.

Letzteres ist für mich das eigentliche Drama. Es kann sein, dass jetzt mehr Mitarbeiter ihre Jobs verlieren als das bei einer früheren Lösung nötig gewesen wäre. Allerdings werden die  profitablen Filialen auch jetzt noch Käufer finden.

Haben sich die Gewerkschaften verzockt?

Mit seinen Auflagen für die Ministererlaubnis hat Gabriel der Gewerkschaft Verdi eine sehr starke Stellung in dem Verfahren eingeräumt. Die ganze Transaktion ist davon abhängig gemacht worden, dass Tarifverträge zustande kommen. Dass das Oberlandesgericht das nicht mitmacht, hat wahrscheinlich niemand erwartet. Aber man hätte mit einer gerichtlichen Überprüfung der Ministererlaubnis rechnen müssen. Die letzte umstrittene Ministererlaubnis Eon/Ruhrgas ist ja auch vor Gericht gelandet.

Hat Sie als Jurist die deutliche Ohrfeige des Oberlandesgerichts für Gabriel überrascht?

Was den Inhalt betrifft, so liegt der Beschluss durchaus im Rahmen des Möglichen. Was die Wortwahl angeht, so ist der Beschluss schon sehr pointiert.

Wie lange könnte sich eine endgültige juristische Klärung hinziehen?

Wenn der Bundesgerichtshof ins Spiel kommt, kann das noch Jahre dauern.

"Über die Tochter Nest weiß Google, wie oft man zu Hause ist"

Prof. Dr. Daniel Zimmer
Prof. Dr. Daniel Zimmer

© Doris Spiekermann-Klaas

Dass Große immer noch weiter wachsen  wollen, ist ja keine Besonderheit der Lebensmittelbranche. Sie beschäftigen sich jetzt intensiv mit Internetkonzernen wie Google und Facebook. Auch die werden immer größer. Ist das ein Problem?

Es gibt gute Gründe dafür, warum die großen Internetfirmen immer größer werden. Je größer eine Suchmaschine wie Google ist, desto treffender können ihre Suchergebnisse sein. Ein großes soziales Netzwerk wie Facebook hat für Nutzer den Vorteil, dass alle ihre Freunde dort sind und sie sie nicht auf drei verschiedenen Portalen suchen müssen. Aber es gibt natürlich auch Schattenseiten.

Welche?

Unternehmen, die groß und für die Nutzer attraktiv sind, lassen sich von den Usern sehr weitgehende Rechte einräumen. Es drohen massive Eingriffe in Persönlichkeitsrechte.

Mal konkret: Was denn?

Wenn ein Unternehmen wie Google meine Suchergebnisse kennt, den Browser zur Verfügung stellt,

...das E-Mail-Programm ...

ja, auch das, dann kommen doch beängstigend viele Informationen zusammen. Angenommen ich suche im Internet nach einer schweren Krankheit. Das kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht recherchiere ich für einen Vortrag, vielleicht habe ich aber auch diese Krankheit.  Ein Algorithmus von Google weiß das nicht. Und wenn Google künftig Versicherungen oder Bankkredite vermitteln will, kann es sein, dass ich als Verbraucher später schlechtere Konditionen bekomme, weil Google von der Möglichkeit ausgeht, dass ich krank bin.

Ist Google gefährlicher als Facebook?

Google ist in vielen Bereichen aktiv und sammelt jede Menge Daten – bis hin zur Haustechnik. Über die Tochter Nest weiß Google, wie man heizt oder wie oft man zu Hause ist, das betrifft die Privatsphäre ganz unmittelbar. Allerdings könnte man natürlich auch eine andere Suchmaschinen nutzen, wenn einen das stört ...

Tun Sie das?

Nein.

Sind Sie bei Facebook?

Nein, aber meine erwachsenen Kinder. Bei Facebook ist das Problem, dass man kaum zu einem anderen Netzwerk wechseln kann. Man müsste ja all seine Freunde mitnehmen, und die müssten dann auch wieder ihre Freunde mitnehmen.

"Ich glaube, wir brauchen eine bessere Fusionskontrolle"

Prof. Dr. Daniel Zimmer
Prof. Dr. Daniel Zimmer

© Doris Spiekermann-Klaas

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager überzieht Google mit Verfahren. Reicht das?

Nein. Ich glaube, wir brauchen eine bessere Fusionskontrolle. Die Übernahme von Whatsapp durch Facebook wäre beinahe kartellrechtlich gar nicht untersucht worden, weil die Zusammenschlusskontrolle nicht auf den Kaufpreis, sondern nur auf die Umsätze der Unternehmen abstellt und Whatsapp in Europa kaum Umsatz macht. Das muss sich ändern.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel ist zumindest in diesem Punkt auf Ihrer Seite.

Ja, die Reform des Wettbewerbsrechts nimmt den Vorschlag der Monopolkommission auf.

Aber wenn Unternehmen aus eigener Kraft wachsen, kommt man mit der Fusionskontrolle nicht weiter.

Nein, aber mit dem Datenschutzrecht. Wir bekommen ja jetzt auf europäischer Ebene die neue Datenschutzgrundverordnung mit verschärften Sanktionen. Den Unternehmen drohen bei Datenschutzverstößen künftig Bußgelder von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes. Bei Facebook oder Google wären das Milliardenbeträge. Außerdem wird ein Recht auf Datenmitnahme eingeführt. Sie können verlangen, dass Ihnen Ihre Daten maschinenlesbar ausgehändigt werden, so dass Sie diese zu einem neuen Anbieter mitnehmen können.

Bringt das was?

Mal sehen. Im Datenschutzrecht sind in den meisten Fällen Verstöße vom Tisch,  sobald die Betroffenen der Datenerhebung und -verwendung zustimmen.  Bei marktmächtigen Großunternehmen wie Google oder Facebook greift dieser Ansatz aber zu kurz. Die Nutzer können doch gar nicht anders als zustimmen. Für solche Fälle brauchen wir schärfere Datenschutzvorgaben. Und die könnten wir möglicherweise über das Kartellrecht erzwingen.

Das Bundeskartellamt führt jetzt ein solches Verfahren gegen Facebook  und bewegt sich damit auf juristischem Neuland.

Das Bundeskartellamt könnte gegen Facebook wegen Marktmissbrauchs eine Strafe verhängen in Höhe von zehn Prozent des Jahresumsatzes, das geht in die Milliarden. Ich habe kürzlich bei der Berliner FDP einen Vortrag über einen solchen Einsatz des Kartellrechts zum Schutz von Bürgerrechten gehalten und bin dabei auf reges Interesse gestoßen. Es besteht eine große Sensibilität für die Bedrohung, die heute von privaten Großunternehmen für die Persönlichkeitsrechte der Menschen ausgeht.

Wollen Sie den technischen Fortschritt aufhalten?

Nein, im Gegenteil. Die kartellrechtliche Lösung richtet sich nur gegen Marktbeherrscher. Ich möchte, dass kleine, innovative Unternehmen, etwa datenbasierte Start-ups,  beim Datenschutz mehr Freiheiten haben als die Datenkraken. Ein Beispiel: Facebook lässt sich eine weltweit gültige Lizenz von seinen Nutzern geben, alle Inhalte, die sie auf ihrer Seite online stellen, kostenlos zu nutzen. Wenn Sie ein Foto auf Ihrer Seite hochladen, darf Facebook das kostenlos verwenden. Angenommen es gäbe auf dem Markt nicht nur eines, sondern drei Netzwerke wie Facebook, dann würde doch womöglich einer der Anbieter mehr Gewicht auf den Datenschutz legen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Apple wirbt doch auch damit, dass die Nutzerdaten bei diesem Unternehmen sicherer seien als bei Samsung. Die Telekom macht das auch. Warum? Weil es in diesen Bereichen Wettbewerb gibt.

Daniel Zimmer (56) ist Juraprofessor mit Schwerpunkt Kartell- und Wettbewerbsrecht. Er ist Professor an der Uni Bonn und zugleich Reasearch Fellow am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Zimmer hatte im Frühjahr für Aufsehen gesorgt, als er den Vorsitz der Monopolkommission zurückgab aus Protest gegen die Ministererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka. Das Bundeskartellamt hatte die geplante Supermarktehe wegen der ohnehin schon großen Marktmacht Edekas untersagt. Gabriel hatte den Deal daraufhin per Sondervotum erlaubt, ist damit aber vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gescheitert.

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