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Das Leben danach: Shima hat das Unglück von Rana Plaza überlebt.

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Drei Jahre nach Rana Plaza: Grüne wollen Textilfirmen zur Fairness zwingen

Freiwilligkeit bringt nichts, sagt Renate Künast. Eine EU-Richtlinie soll die Branche zwingen, für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse zu sorgen.

Knapp drei Jahre nach der Katastrophe von Rana Plaza verlieren die Grünen die Geduld. „Verbraucher haben das Recht zu wissen, ob ihre Kleidung fair, sicher und gesund hergestellt ist“, sagte die Vorsitzende des Verbraucherausschusses, Renate Künast, dem Tagesspiegel. Freiwillige Lösungen reichten da nicht aus. „Was wir brauchen, sind klare Regeln für den gesamten EU-Binnenmarkt“, fordert Künast. „Textilien müssen lückenlos rückverfolgbar sein, Menschenrechte sind einzuhalten.“
Mehr als 3000 Textilarbeiter wurden verschüttet, 1134 von ihnen starben, als am 24. April 2013 das Fabrikgebäude in Rana Plaza einstürzte. Das Unglück hatte Folgen – weit über die Geschehnisse in Bangladesch hinaus. Die miserablen Produktionsbedingungen in den Textilfabriken haben die Modebranche in Erklärungsnot gebracht, die Politik alarmiert und Verbrauchern ein schlechtes Gewissen gemacht.
Den Grünen reicht das nicht. Sie wollen Verbindlichkeit. Auf EU-Ebene soll es Gesetze geben und Sanktionen für Unternehmen, die Arbeiter in den Billiglohnländern ausbeuten. In dieser Woche will die Opposition einen entsprechenden Antrag („Kleidung fair produzieren“) in den Bundestag einbringen. Danach soll die Bundesregierung aufgefordert werden, sich auf EU-Ebene für gesetzliche Transparenz- und Sorgfaltspflichten einzusetzen. Die Unternehmen sollen ihre Lieferketten offenlegen und nachweisen, dass ihre Zulieferer die Menschenrechte beachten und Umweltvorschriften einhalten. Zertifizierungen und Kontrollberichte sollen eine Überprüfung und Sanktionen ermöglichen.

Die Katastrophe: Am 24. April 2013 stürzte die neunstöckige Textilfabrik Rana Plaza ein, 1134 Menschen starben.
Die Katastrophe: Am 24. April 2013 stürzte die neunstöckige Textilfabrik Rana Plaza ein, 1134 Menschen starben.

© dpa

Entwicklungsminister Müller setzt auf sein Textilbündnis

Damit greifen die Grünen Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller an. Der CSU-Politiker hat den Kampf gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in der globalen Textilproduktion zu seinem eigenen gemacht. Ein Kernstück seiner Politik ist das Textilbündnis, das der Minister ins Leben gerufen hat. Dessen Mitglieder wollen die Arbeitsbedingungen vor Ort und die Löhne verbessern. Der Start war holprig, viele große Namen fehlten. Das hat sich geändert. Heute vereint das Bündnis 180 Mitglieder, darunter Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Textilproduzenten und Einzelhändler. Aldi und Edeka sind dabei, Adidas, Boss, aber auch H&M, C&A und der Textildiscounter Kik. Die Teilnahme ist freiwillig, so wie alle Maßnahmen, die das Ministerium bislang auf den Weg gebracht hat. Menschenrechtsaktivisten sehen das kritisch: Aus Sicht der Christlichen Initiative Romero geht ein freiwilliges Bündnis nicht weit genug. „Aus unserer mehr als 20-jährigen Erfahrung bringt Freiwilligkeit keine guten und weitreichenden Erfolge“, sagt Kirsten Clodius. Statt soziale Standards auch in ausländischen Produktionsstätten durchzusetzen, nutzten viele Firmen freiwillige Vereinbarungen als Werbemittel und um sich „reinzuwaschen.“ Die komplette Überwachung einer Lieferkette sei jedoch schwierig, räumt Clodius ein.

140 Produktionsstufen für ein Hemd

Das stimmt. Allein für die Produktion eines Hemdes sind 140 Produktionsstufen nötig, berichtet C&A. Eine lückenlose Überwachung „vom Baumwollfeld bis zum Bügel“ sei „nur schwer möglich“, teilte die Modekette dem Tagesspiegel auf Anfrage mit. Dennoch versucht C&A, Standards zu setzen und einzuhalten. Das Unternehmen hat Lieferanten in 40 Ländern. Alle müssen zusichern, sich für Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz einzusetzen, Korruption zu bekämpfen und ihren Mitarbeitern den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. Auch H&M lässt seine weltweit 900 Zulieferer einen Verhaltenskodex unterschreiben. Darin garantieren sie saubere und sichere Arbeitsplätze, die Einhaltung von Hygiene- und Brandschutzvorschriften, geregelte Löhne und Arbeitszeiten, das Recht, Gewerkschaften zu gründen und das Verbot von Kinderarbeit. Rund 100 Vollzeit-Mitarbeiter kontrollieren, ob sich die Firmen auch wirklich an diese Vorgaben halten. Die Unternehmen, die für H&M arbeiten, würden in aller Regel aber auch noch andere, teurere Marken beliefern – „wobei die Arbeitsbedingungen und Gehälter immer gleich bleiben“, kritisiert H&M die Konkurrenz. Der Preis von Kleidung sage nichts über die Produktionsbedingungen aus. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagt Gerd Müller. Handlungsbedarf sieht der Minister vor allem bei der Einhaltung grundlegender Arbeitsrechte oder der Zahlung besserer Löhne. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Textilbündnisses arbeite er daran, die ökologischen und sozialen Bündnis-Standards vom Rohstoff bis zum Regal umzusetzen, sagte Müller dem Tagesspiegel. Und an einer Unfallversicherung. Sie soll die Lebensgrundlage der Textilarbeiterinnen in Bangladesch sichern.

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