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Wirtschaft: Duisenberg soll länger Chef der EZB bleiben

Finanzminister des Eurolandes werden den Niederländer dieses Wochenende bei ihrem Treffen darum bitten

Frankfurt (Main) (ro). Wim Duisenberg soll doch noch nicht in Rente gehen. Am Wochenende werden die europäischen Finanzminister den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) bitten, länger als vorgesehen im Amt zu bleiben. Vermutlich noch ein halbes Jahr soll der Niederländer, der eigentlich mit seinem 68. Geburtstag am 9. Juli sein Amt niederlegen wollte, an der Spitze der EZB ausharren. „Duisenberg ist ein hervorragender Präsident und ist vorderhand sein eigener Nachfolger“, sagte der deutsche Finanzminister Hans Eichel bei seiner Ankunft im griechischen Vouliagmeni vor Beginn des Treffens mit seinen Amtskollegen des Eurolandes. Auch andere Ressortchefs äußerten sich positiv über Duisenberg.

Der vorgesehene Nachfolger, der Franzose JeanClaude Trichet, ist vorerst nicht verfügbar. Der angesehene Notenbanker steht in Paris wegen möglicher Beihilfe zur Bilanzfälschung bei der Staatsbank Crédit Lyonnais vor Gericht. Das Urteil wird erst am 18. Juni veröffentlicht. Selbst bei einem Freispruch wäre die Zeit bis zur Ablösung Duisenbergs zu knapp.

Das Gerangel um die Nachfolge von Duisenberg läuft schon seit Monaten – EZB-Mitarbeiter nehmen das Hin und Her mit einem Schmunzeln zur Kenntnis: Am 1. April kursierte in der EZB eine Mail, die auf eine Meldung einer Nachrichtenagentur verwies. Darin bezeichnete es ein französischer Regierungsvertreter als wahrscheinlich, dass Duisenbergs Direktoriumskollegin Sirrka Hämäläinen bis zum 1. April 2004 sein Amt übernehme. Die Finnin sei die einzige Person die derzeit „Blush“ (also Blair und Bush) die Stirn bieten könne. Nicht jeder im Eurotower erkannte den Aprilscherz sofort.

Politisches Gerangel

Das Gerangel um den EZB-Vorsitz ist vor allem politisch: Die Franzosen wollen schon lange einen Platz ganz oben in der Notenbank. Schon vor Duisenbergs Amtsantritt hatten die Franzosen auf einen Kuhhandel gedrängt. Duisenberg ja, aber nur, wenn er vorzeitig den Stuhl für Trichet räumt. Nicht nur Duisenberg hat eine solche Vereinbarung immer bestritten. Es habe damals im Frühjahr 1998 in Maastricht keinerlei Zusagen gegeben. Paris hat allerdings weiter Druck gemacht. Im Frühjahr vergangenen Jahres gab Duisenberg dann seinen vorzeitigen Rückzug bekannt, eine rein „persönliche Entscheidung“. Mit der Vollendung seines 68. Geburtstages werde er sich am 9. Juli 2003 – und nicht erst im Mai 2006 – zurückziehen. Die Franzosen schienen zufrieden. Duisenberg hatte allerdings auch betont, er werde sich einer möglichen Bitte nicht verschließen, länger zu bleiben.

Er ahnte wohl den Ärger um Trichet – obwohl er ihn hoch schätzt und als idealen Nachfolger betrachtet. In Paris aber hatte man nicht damit gerechnet, dass sich das Verfahren gegen Trichet so verzögern könnte. Jetzt steht Frankreich unter Druck. Der französische Finanzminister Francis Mer muss in Athen wohl oder übel den Wunsch seiner Kollegen unterstützen, dass Duisenberg länger im Amt bleibt. „Das ist ein Sieg für Duisenberg, er wird innerlich lächeln“, sagt ein EZB-Beobachter in Frankfurt. Der Niederländer selbst lässt sich in der ihm eigenen, souveränen Art nichts anmerken, auch wenn ihn der Vorgang angeblich erheitert.

Gleichwohl weiß auch er, dass das Gerangel für das Ansehen der EZB alles andere als förderlich ist. Nach der jüngsten EZB-Sitzung am Donnerstag in Rom betonte er, es gebe bislang noch kein Ersuchen der Finanzminister. Und wenn, sei vieles vorstellbar, „von einer Woche bis zu einem Monat oder drei Monaten, alles – solange der Übergang glatt ist, bin ich und ist der EZB-Rat zufrieden.“

Zum Ende seiner Amtszeit wirkt Duisenberg souverän wie selten zuvor. Fehler hat aber auch er gemacht, etwa als er den Kursverfall des Euro mit dem Hinweis „Ein Euro ist ein Euro“ abwiegelte oder allzu deutlich auf bevorstehende Interventionen hinwies. Heute schweigt er zu solchen Fragen oder antwortet mit Humor, der den Zuhörern immer wieder ein Lächeln entlockt. Entschieden verwahrt er sich gegen politische Einflussnahme auf die Zinspolitik seines Hauses. Die Unabhängigkeit der EZB ist für den früheren niederländischen Finanzminister neben der Preisstabilität das höchste Gut.

Fest steht auf jeden Fall: Sein Nachfolger – egal ob Trichet, Duisenbergs ehemaliger Stellvertreter Christian Noyer oder Jean Lemierre, Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung – wird in große Fußstapfen treten.

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