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Wirtschaft: Dunkle Wolken am amerikanischen Zinshorizont

NEW YORK (pt/tpp/ali apt(pf/tpp/ali/HB). (pf/tpp/ali/HB).

NEW YORK (pt/tpp/ali apt(pf/tpp/ali/HB). (pf/tpp/ali/HB)./HB). Wer nach einem Sündenbock für die derzeitigen Kursverluste an der amerikanischen Börse sucht, schaue sich am Rentenmarkt um. Die Notierungen von US-Staatsanleihen mit 30jähriger Laufzeit befinden sich seit Monaten auf dem Rückmarsch. Parallel zu den abbröckelnden Kursen steigen die Renditen. Der Longbond ist der Leitzins des Rentenmarktes. Seit Jahresbeginn haben die Langlaufrenditen um fast einen vollen Prozentpunkt zugelegt, und Besitzer der Bonds haben einen Verlust von 10,3 Prozent zu beklagen.

Am Mittwoch hatte die Wall Street erneut schwächer tendiert. Bei äußerst bescheidenen Umsätzen fiel der Dow Jones Index um 75,35 Zähler oder 0,7 Prozent auf 10690,29 Punkte. 30jährige US-Staatsanleihen fielen um einen viertel Punkt. Die Titel rentierten sich mit 6,02 Prozent. Damit ist die wichtige Sechs-Prozent-Hürde nach oben durchbrochen worden. Deutlich höher notierte dagegen die Nasdaq, weil sich Chipaktien wie Intel und Texas Instruments sowie viele andere Technologiewerte erholen konnten. Unter Druck standen Finanzwerte wie American Express, die unter dem nach oben gerichteten Zinstrend zu leiden hatten. Auch Airlineaktien gaben erneut nach. Zu den Verlierern zählten der Pharmakonzern Pfizer und General Motors.

Die Hauptursache der Kursschwäche ist nach Händlerangaben die Erwartung einer Leitzinserhöhung Ende Juni, wenn nicht schon früher. Steigende Zinsen belasten Unternehmensgewinne und sind deshalb nicht gut für die Aktienbörsen. Anleihen werden außerdem als Anlagealternative zu Aktien attraktiver. Am amerikanischen Zinshorizont brauen sich dunkle Wolken zusammen. So drohte die US-Notenbank bereits nach ihrer letzten Offenmarktausschuß-Sitzung, die Zügel künftig wieder straffer anzuziehen, sollte die brummende US-Konjunktur die Preise treiben. Analysten werteten auch das Ausscheiden der stellvertretenden Notenbankchefin Alice Rivlin als Vorboten einer möglichen Zinserhöhung, da sie als Verfechterin einer moderaten Zinskurses galt.

"Der Markt ist noch immer der Gnade des FOMC ausgeliefert", sagte David Brown, Chefökonom bei der Wall-Street-Bank Bear Stearns International, unter Hinweis auf den Offenmarktausschuß (Federal Open Market Committee), der am 29. und 30. Juni zu seiner regelmäßigen Sitzung zusammentritt. "Niemand kann vor der Veröffentlichung der Preisentwicklung im Mai sagen, wie sich die Fed Ende des Monats verhalten wird". Im April haben die Verbraucherpreise ihren steilsten Monatsanstieg seit fast neun Jahren erlebt.

Mit Spannung schauen die Märkte auf den Auftritt von Fed-Chef Alan Greenspan am 17. Juni vor dem Kongreß. Doch ominöse Bemerkungen über den Zinsausblick kommen nicht nur aus Washington. So erklärte der Präsident der Landeszentralbank Minneapolis, Gary Stern, am Mittwoch, es gebe überhaupt keine Zweifel an der starken Nachfrage in den USA, und sein Kollege William Poole von der Fed in St. Louis sagte in Boston, er teile die Ansicht, daß die Wahrscheinlichkeit von mehr Inflation zugenommen hat. Poole, ein berüchtigter "Zins-Falke" unter den Notenbankbeamten, riet der Fed, nicht auf Inflationserscheinungen zu warten, sondern vorbeugend zu handeln.

Kurioserweise haben sogar Friedensaussichten in Kosovo die amerikanischen Wertpapiermärkte unter Druck gesetzt: Investoren zogen Mittel aus Dollar-Anlagen ab und pumpten sie in den Euro und in den Yen zurück. Erschüttert wurde das Anlegervertrauen nicht zuletzt durch die Mitteilung des US-Arbeitsministeriums, daß die Produktivität im ersten Quartal außerhalb der Landwirtschaft nur um 3,5 Prozent zugenommen hat. In einer ersten Schätzung war man von vier Prozent Anstieg ausgegangen. Kräftige Produktivitätszuwächse tragen mit zu niedrigen Inflationsraten bei. Analysten äußerten diese Woche die Ansicht, eine Leitzinserhöhung um 50 Basispunke sei in den derzeitigen Kursen schon berücksichtigt; folglich könne es nicht mehr sehr viel weiter nach unten gehen. Richard McCabe, Analyst bei Merrill Lynch, meinte am Mittwoch sogar, eine Leitzinserhöhung könne die Märkte positiv beeinflussen; sie zeige, daß die Fed die Inflationsbekämpfung ernst nimmt.

Bei den Prognosen für 1999 herrscht an der Wall Street Konsens: Die Tagesgeldrate (federal funds) von derzeit 4,75 Prozent dürfte um einen halben Prozentpunkt in zwei Stufen von jeweils einem Viertel Prozentpunkt steigen. Damit erhöhen sich die Mittelbeschaffungskosten der Banken, die gewöhnlich mit einer Anhebung der "prime rate" - derzeit 7,5 Prozent - aufgefangen werden.

Mit Spannung blicken Fondsmanager zunächst auf den 16. Juni: Sollten die dann veröffentlichten Inflationszahlen eine böse Überraschung bergen, wird die befürchtete Zinserhöhung immer wahrscheinlicher. Und die hätte auch auf die europäischen Märkte Auswirkungen. Steigende Zinsen sind Gift für die Anleihenkurse. Da der amerkanische Kapitalmarkt wichtiger Signalgeber ist, dürfte eine Zinserhöhung auch in Euroland für Turbulenzen sorgen. Nutzen Fondsmanager vielleicht dann das niedrige Kursniveau in Euroland zum Einstieg? Manager von internationalen Rentenfonds sind skeptisch. Zum einen rechnen sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit einem Zinssignal aus Washington. Zum anderen stellt für sie der alte Kontinent noch nicht das Land der blühenden Renditeaussichten dar.

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