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Ebay: Vom Basar zum Warenhaus

Seit zehn Jahren gibt es Ebay in Deutschland. Seine Fans feiern das Internetportal. Doch die Erfolgsgeschichte hat Risse bekommen.

Ein Stapel Kinderbücher, alte Turnschuhe, zwei vollgepackte Kleiderständer, daran lehnt ein Bild: eine Berglandschaft in Öl. Der Arbeitsplatz von Sigrun Schmähl und ihrem Sohn Eric ist eine Mischung aus Secondhandladen und altem Dachboden. Selbst auf dem Schreibtisch stehen Kisten mit Porzellan und Spielzeugautos. Nur der Computer scheint hier neu zu sein. Sein Bildschirm zeigt die Internetseite von Ebay. Das Online-Auktionshaus ist inzwischen eine feste Größe in Deutschland. Am 1. März feiert es sein zehnjähriges Jubiläum.

Die Schmähls sind Verkaufsagenten. Sie versteigern bei Ebay Waren für andere und bekommen dafür eine Provision. Seit drei Jahren leben die beiden davon. „Ebay ist der Punkt, wo sich zwei treffen“, sagt Eric Schmähl. Für alles finde sich ein Käufer. Er berichtet von einer Studentin, die für 300 Euro 1500 private Urlaubsdias für ihre Doktorarbeit ersteigerte. Oder von Bietern aus China, die Otto- und Quelle-Kataloge aus den 70er und 80er Jahren für rund 50 Euro pro Stück erwarben. „Die produzieren das nach. Retro ist immer wieder in“, meint der 30-Jährige.

Angefangen hat alles vor fünf Jahren. Eric Schmähl befüllte Druckerpatronen und verkaufte diese bei Ebay. Seiner Mutter Sigrun fiel eine Spalte für Ostprodukte auf. „Da habe ich gedacht: Das habe ich alles zu Hause im Keller“, sagt sie. Für den RG 28 und den Multiboy, einen Mixer und eine Küchenmaschine, sei in Euro bezahlt worden, was beides zuvor in Mark der DDR gekostet hatte. Der Erfolg beflügelte nicht nur die Schmähls. Immer mehr Nachbarn brachten Sachen zum Verkaufen. Irgendwann war es so viel, dass Schmähl, die vorher Verkäuferin und Filialleiterin war, sich selbstständig machte. In Spitzenzeiten versteigerte die 52-Jährige bis zu 500 Artikel im Monat. Zu ihren Kunden gehören Hartz-IV-Empfänger und erfolgreiche Unternehmer.

Ein erfolgreicher Unternehmer ist auch Sebastian Kost. Ebay hat ihn dazu gemacht, Kost ist Powerseller. Den Status erreiche ein Verkäufer, der mindestens 3000 Euro Umsatz im Monat mache, sagt er. 1999 entdeckte Kost die Internetauktion für sich. Beim deutschen Vorläufer Alando, der später vom US-Unternehmen Ebay aufgekauft wurde, versteigerte er seine alten Kindersachen. „Damals war Ebay ein Geheimtipp“, sagt Kost. „Es gab noch nicht so viele Verkäufer und die Leute haben wie verrückt geboten.“

Inzwischen sei das Verkaufen auf Ebay schwieriger geworden, sagt Kost. Das Angebot sei einfach zu groß geworden. Heute verkauft er bei Ebay und anderen Portalen Video- und Computerspiele. Rund eine Million Euro Umsatz mache er im Jahr, sagt der 26-Jährige. Zehn Mitarbeiter hat sein Unternehmen Konsolenkost mittlerweile. „Ohne Ebay hätte ich das nicht erreicht“, sagt Kost.

Doch Ebays Popularität sinkt, sagt Hung Lehong, Analyst beim Marktforscher Gartner. Von Quartal zu Quartal sei die Zahl der eingestellten Artikel weltweit zurückgegangen. Besonders schlimm war der Einbruch Ende 2008. Lehong nennt dafür zwei Gründe: Zum einen habe Ebay sein Gebührenmodell umgestellt, so dass der Verkauf für viele Händler weniger attraktiv geworden sei. Zum anderen habe Ebay das Bewertungssystem verändert. Verkäufer dürfen jetzt keine Käufer mehr bewerten. „Das Bewertungssystem ist vor allem für die Käufer relevant“, verteidigt Ebay-Sprecherin Maike Fuest die Änderung. Zuvor hätte es sehr viele Rachebewertungen von Verkäufern gegeben, die sich über schlechte Bewertungen von Käufern geärgert hätten. Das habe man unterbinden wollen.

Längst ist Ebay nicht mehr das Auktionshaus für Sammlerstücke und Kurioses, als das es 1995 in den USA gegründet wurde. Das Versteigern und Ersteigern hatte neben den Amerikanern vor allem auch die deutschen Nutzer infiziert. Doch inzwischen werden auf den Ebay-Seiten immer mehr neue Artikel zum Festpreis verkauft. Auf etwa 50 Prozent schätzt Analyst Lehong den Anteil der Festpreisprodukte. Ebay selbst nennt sich nicht mehr Online-Auktionshaus sondern Marktplatz. Doch einfach Onlinehändler sein, das könnten andere besser, sagt Gartner-Analyst Lehong.

Auch Sebastian Kost verkauft seine Produkte inzwischen vor allem beim Onlinehändler Amazon. „Das Ansehen von Ebay ist in den letzten Jahren geschwunden“, sagt er. Und es sei riskant, sich nur auf Ebay zu verlassen. Wegen der strengen Regeln könne es passieren, dass man als Verkäufer gesperrt werde. Von Ebay lassen kann er aber nicht. „Es ist einfach spannend und macht Spaß“, sagt er.

Die Schmähls haben zur Zeit nicht so viel Vergnügen daran. Ihr Umsatz bei Ebay sinkt. Sie schieben das auf die Finanzkrise. Die Leute hätten eben weniger Geld. Mutter und Sohn wollen Ebay dennoch treu bleiben. Bei anderen Portalen fehle einfach der Publikumsverkehr. Reich werden sie damit jedoch nicht. „Man kann so gerade davon leben“, sagt Sigrun Schmähl. Seit Kurzem haben sie und ihr Sohn ein weiteres Standbein. Bei Festen und Veranstaltungen übernehmen sie das Catering. Es gibt Gulaschsuppe und Glühwein. Die Gulaschkanone dafür haben sie natürlich bei Ebay ersteigert.

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