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Wirtschaft: Editorial: Keine Panik wegen Genfood

Verschiebe nie etwas Nützliches aus Angst vor bösen Folgen, die vielleicht nie eintreten werden. Dieser Satz stammt von James Watson, dem Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 1962.

Verschiebe nie etwas Nützliches aus Angst vor bösen Folgen, die vielleicht nie eintreten werden. Dieser Satz stammt von James Watson, dem Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 1962. Kann bitte jemand erklären, was eigentlich schlecht sein soll an genetisch veränderten Lebensmitteln?

Die ungefähr 50 000 Presseerklärungen von Greenpeace aus den vergangenen Jahren sprechen ausführlich davon, dass manche Menschen genveränderte Lebensmittel ablehnen. Sie bringen aber nur ein einziges Argument gegen Genfood: "Wir wissen dezeit sehr wenig darüber, wie Gene funktionieren. Jede Art einer Veränderung der DNA eines Organismus könnte irgendwann Folgen haben, die wir nicht vorhersagen oder kontrollieren können." Greenpeace gibt genau das Gegenteil von Watsons Rat: Tue nichts - es könnte ja schlimme Folgen haben. Wer herausfinden möchte, wohin diese Haltung führt, muss sich nur einen einzigen Tag lang danach richten: Gehe nicht baden, du könntest in der Wanne ausrutschen. Lass das Frühstück aus, weil du dir eine Lebensmittelvergiftung holen könntest; gehe nicht auf die Straße, weil...Sie merken, worauf es hinausläuft.

Anscheinend bemerkt es die Europäische Union jetzt auch. Am vergangenen Mittwoch hob das europäische Parlament einen dreijährigen Versuchsstopp für genetisch veränderte Lebensmittel auf. Gesetze wurden verabschiedet, die die Einführung von Genfood ermöglichen. Der sozialistische EU-Parlamentarier David Bowe sagt, das seien die strengsten Vorschriften der Welt. Sie sehen einen komplizierten Zulassungsprozess für genetisch veränderte Pflanzen vor und verlangen eine Kennzeichnung. Unternehmen können eine Lizenz erhalten, die ihnen erlaubt, Gen-Lebensmittel zehn Jahre lang in ganz Europa zu verkaufen.

All das ist besser als das bisherige Generalverbot. Wenn das Prüfsiegel der EU auf "zugelassene" Biotech-Lebensmittel geklebt wird, sollte dies die Genfood-Panik etwas besänftigen. Biotech-Firmen können in einem berechenbareren Rechtsrahmen arbeiten. Die Verbraucher können wählen; niemand muss Genfood kaufen. Aber so wird es wahrscheinlich nicht funktionieren. Denn die EU-Mitgliedsstaaten müssen die Gen-Direktive innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umsetzen. Aber mindestens sechs Länder - Frankreich, Österreich, Italien, Dänemark, Luxemburg und Griechenland - sind dazu nur bereit, wenn eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllt werden. Die einflussreiche Lobby der Ökobauern ist ebenfalls dagegen.

Dabei entbehrt die Genfood-Panik jeglicher Grundlage. Seit Jahrhunderten verändern die Menschen Lebensmittel und Tierrassen genetisch. Die Vereinigten Staaten futtern schon seit Jahren nahrhafte genmanipulierte Lebensmittel, ohne dass ihre Gesundheit leidet. Warum also die Panik? Da gibt es viele Leute, die ein Interesse daran haben, die Panik am Leben zu erhalten. Statt sich Panikmachern zu widersetzen, haben europäische Politiker versucht, sie zufrieden zu stellen und immer kompliziertere Vorschriften zu verlangen. Damit erwecken sie den Eindruck von Aktivität. Aber in Wirklichkeit legitimieren und ermutigen sie damit nur Randmeinungen. Gut ist das alles nicht.

Liebe Leute, wir schreiben das Jahr 2001! Eigentlich sollten wir schon längst in der Umlaufbahn um Jupiter sein. Stattdessen leben wir auf einem Kontinent, der von Angst nur so geschüttelt wird: vor abgereichertem Uran, wahnsinnigen Rindern, vergifteten Spielsachen und Genfood. Das passt alles besser in das Mittelalter.

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