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Wirtschaft: Eichel macht zu viele Schulden

Staatshaushalt verletzt zum zweiten Mal in Folge EU-Defizitgrenze/Opposition: Finanzminister verspielt Vertrauen

Berlin (fo/Tsp). Deutschland verstößt in diesem Jahr erneut gegen den europäischen Stabilitätspakt: Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) meldete am Freitag ein Defizit von 3,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nach Brüssel. Die gesamtstaatliche Verschuldung steigt auf 63 Prozent. Im Stabilitätspakt sind maximal drei Prozent Defizit und 60 Prozent Schuldenstand erlaubt. Die Zahl liegt um 0,3 Prozentpunkte höher als bislang angenommen. Als Gründe führte Eichels Ministerium die schwache Konjunktur sowie die hohe Arbeitslosigkeit an. Ziel bleibe es aber, die Neuverschuldung im kommenden Jahr wieder unter die MaastrichtObergrenze von drei Prozent zu drücken.

Die Opposition wirft Eichel unterdessen vor, „den Weg in den Schuldenstaat auf Kosten unserer Kinder völlig hemmungslos fortzusetzen“. Eichel „hat mit dem heutigen Tag endgültig den letzten Rest an Vertrauen verspielt“, kritisierte CDU/CSU-Fraktionsvize Friedrich Merz am Freitag. Niemand werde Eichel glauben, wenn er jetzt für 2004 die Einhaltung der Obergrenzen bei Neuverschuldung und Gesamtverschuldung voraussagt.

Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) sagte, er rechne für 2003 mit einem weitaus höheren deutschen Defizit als Eichel. Aufgrund der schlechteren Entwicklung der Konjunktur werde das Defizit mindestens 93 Milliarden Euro betragen. „Ich glaube, wenn es so weiter geht, kommen wir wahrscheinlich sogar auf die 100 Milliarden Euro.“ Unter realistischer Einbeziehung aller erkennbaren Risiken gehe er damit von einer Defizitquote von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen (siehe Kasten) in Höhe von mindestens 4,3 Prozent aus.

Eichel übermittelte den erwarteten Defizitwert im Rahmen der halbjährlichen Maastricht-Meldung an die EU-Kommission. Nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich wird in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge die Defizitkriterien verletzen. Paris will aber erst in einigen Tagen seine Zahlen in Brüssel vorlegen. Beide Länder bewegen sich nach Experteneinschätzungen auch im kommenden Haushaltsjahr bei einem Defizit um 3,8 Prozent. Die Franzosen hatten in dieser Woche bereits in Brüssel dafür geworben, dass ihnen das Ankurbeln der Konjunktur und die Reduzierung der Arbeitslosigkeit wichtiger seien als die Einhaltung der strikten Maastricht-Kriterien.

Trotz des zweiten Defizitverstoßes drohen Deutschland aber nicht automatisch Strafen. Denn bislang erfüllt die Bundesregierung aus Sicht der EU-Kommission die Auflagen zur Absenkung der Neuverschuldung. Diese Vorschriften waren Deutschland gemacht worden, nachdem die Bundesregierung bereits 2002 gegen das Maastricht-Kriterium verstoßen hatte. Damals hatte das deutsche Defizit nach Angaben Eichels vom Freitag bei 3,5 Prozent gelegen.

Ein Kommissionssprecher sagte in Brüssel: „Es besteht weiterhin die Möglichkeit, dass Deutschland im nächsten Jahr das Ziel von drei Prozent erreichen kann.“ Dazu müssten aber bestimmte Vorgaben des Haushaltsplans 2004 unbedingt eingehalten werden, mahnte er. Sollte Deutschland auch im kommenden Jahr – und damit zum dritten Mal hintereinander – gegen die EU-Defizit-Regeln verstoßen, droht allerdings eine Milliardenstrafe. Wirtschaftsexperten bezweifeln jedoch, dass Deutschland es 2004 schaffen kann, unter drei Prozent zu bleiben. Die Bundesregierung setzt hingegen auf die Effekte der geplanten Reformen und den beginnenden Wirtschaftsaufschwung.

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