zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Eichel rechnet mit baldigem Aufschwung

Nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) steht die deutsche Wirtschaft vor einem "neuen Aufschwung". Das von der Bundesregierung im laufenden Jahr erwartete Wachstum von 0,75 Prozent werde möglicherweise übertroffen, erklärte der Minister in einer Debatte des Bundestages über den Jahreswirtschaftsbericht (siehe Kasten).

Nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) steht die deutsche Wirtschaft vor einem "neuen Aufschwung". Das von der Bundesregierung im laufenden Jahr erwartete Wachstum von 0,75 Prozent werde möglicherweise übertroffen, erklärte der Minister in einer Debatte des Bundestages über den Jahreswirtschaftsbericht (siehe Kasten). Die Prognosen internationaler Organisationen, die für Deutschland im nächsten Jahr ein Wachstum von 2,8 bis 2,9 Prozent erwarten, bezeichnete Eichel aber als realistisch. Die Arbeitslosenzahl von derzeit 4,3 Millionen sei zwar weiterhin zu hoch. Doch im Vergleich zu 1998 sei die Zahl der Arbeitslosen um 500 000 gesunken.

CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz konterte Eichels Rede mit dem Hinweis, dass Deutschland bei "fast allen wichtigen ökonomischen Daten Schlusslicht in der EU" sei. Wenn überhaupt, werde es im Jahr 2002 ein nur sehr schwaches Wachstum geben. Der FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle forderte grundlegende Reformen des deutschen Arbeitsmarktes.

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) warf der Opposition vor, "unser Land schlechtzureden". Mit einem Wachstum im Jahresschnitt von 1,6 Prozent sei Rot-Grün erfolgreicher gewesen als die Regierung Kohl. Diese habe in den Jahren von 1992 bis 1998 nur einen Durchschnittswert von 1,3 Prozent erreicht.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete Eichels Festlegung, bereits 2004 einen konsolidierten Haushalt zu erreichen, unterdessen als "gefährlich". DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer sagte, dieses Ziel sei nur zu erreichen, wenn man einen "absolut rücksichtslosen Sparkurs" fahre. Wenn der Staat aber zu stark die Konsolidierungsbremse ziehe, könnte die Arbeitslosigkeit steigen und die Neuverschuldung sogar noch zunehmen.

Wie sicher ist die Wachstums-Prognose?

Wie hieb- und stichfest ist die Wachstumsprognose der Schröder-Regierung für dieses Jahr? In ihrem Jahreswirtschaftsbericht geht sie von 0,75 Prozent Wachstum aus. Der Sachverständigenrat rechnet mit 0,7 Prozent, die wirtschaftswissenschaftlichen Institute mit Raten zwischen 0,6 Prozent und 1,2 Prozent.

Für die Prognose der Regierung sprechen die im Vergleich zum Vorjahr relativ niedrigeren Zinsen und Preise, aber auch die sich abzeichnende größere Dynamik der US-Konjunktur. Es gibt freilich auch Risiken: die Tarifverhandlungen, die Sparpolitik der öffentlichen Hand und der Ölpreis. Ob die Regierung tatsächlich mit ihrer Prognose richtig liegt, hängt nicht zuletzt davon ab, wie realistisch die zu Grunde liegenden Annahmen sind.

Die Bundesregierung hat ihrer Prognose einen Ölpreis von 20 bis 25 Dollar pro Barrel zu Grunde gelegt (zurzeit knapp 20 Dollar). Außerdem nimmt sie an, dass der Euro im Jahresdurchschnitt 90 US-Cent kosten wird (zurzeit rund 87 US-Cent), der Leitzins im Euro-Raum mit 3,25 Prozent unverändert bleibt und die Tarifabschlüsse im Schnitt unter drei Prozent liegen werden. Im Übrigen wird ein globales Wachstum von knapp 2,5 Prozent unterstellt. Grundsätzlich gilt: Je teurer das Öl und der Euro, je höher die Zinsen und die Tarifabschlüsse, desto niedriger würde das tatsächliche Wachstum tendenziell ausfallen - und umgekehrt.

Erfahrungswerte zeigen, dass ein Anstieg der Ölpreise um zehn US-Dollar pro Barrel das Bruttoinlandprodukt (BIP) um mindestens 0,2 Prozent senkt. Umgekehrt kann ein stärkerer Zuwachs des US-amerikanischen BIP um etwa ein Prozent das deutsche Wachstum um zusätzlich 0,25 Prozent beflügeln - oder mehr: Volkswirtschaftliche Studien der Commerzbank haben ein noch stärkeres Zusammenspiel nachgewiesen.

Die größte Unbekannte in der Rechnung der Bundesregierung bleibt der Ölpreis. Schon 2001 führte der vorübergehende Ölpreisschub zu einem unerwartet deutlichen Kaufkraftschwund. Weniger der Einbruch der US-Konjunktur als vielmehr die Zurückhaltung der Konsumenten hier zu Lande und die - politikbedingte - Zurückhaltung der Investoren, bilanziert Thomas Mayer, Volkswirt von Goldman Sachs, waren die Ursachen der deutschen Wachstumsschwäche 2001. Auch für das laufende Jahr sollte man darum von den USA nicht zu viel erwarten.

Zur Startseite