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Wirtschaft: Eichel verteidigt neuen Stabilitätspakt

Finanzminister will mit Bundesbank sprechen / DGB begrüßt EU-Pläne

Von Antje Sirleschtov

Berlin – Der Streit um die Reform des Stabilitätspaktes spitzt sich zu. Die Bundesregierung und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierten am Freitag den Vorstoß von Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz (CDU), der die EU-Kommission aufgefordert hatte, das Defizit-Strafverfahren gegen Berlin wieder aufzunehmen. Merz hatte dies am Donnerstag im Tagesspiegel angeregt, weil eine Reform seiner Ansicht nach den Pakt schwächen würde.

Es gehe der Bundesregierung nicht um eine „Aufweichung, wie unterstellt wird“, sondern um eine ökonomisch und finanzpolitisch vernünftige Anwendung des Paktes, sagte der Sprecher von Finanzminister Hans Eichel am Freitag. Er warf der Opposition vor, keine Lösungsvorschläge für einen adäquaten Umgang mit dem Stabilitätspakt zu machen.

Der stellvertretende Fraktionschef der SPD, Joachim Poß, warf Merz vor, er arbeite „mit wüsten Unterstellungen“. In den Vorschlägen von Währungskommissar Pedro Almunia gehe es nicht um eine Aufweichung, sondern um eine Stärkung des Paktes. Dies habe Friedrich Merz „offensichtlich nicht verstanden“, so Poß.

DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer bezeichnete Merz’ Vorstoß als „konzeptlos“. Um den Pakt kurzfristig wieder einhalten zu können, „müsste man die Steuerreform wieder rückgängig machen“. Anderes Sparpotenzial sehe er derzeit nicht. „Wir verletzen ja nicht aus bösem Willen den Pakt, sondern aufgrund wirtschaftlicher Tatsachen", sagte Putzhammer. Wenn man den Pakt jetzt strikt anwende, würde „das den Verlust der Investitions- und Innovationsfähigkeit der EU-Staaten bedeuten“, weil sie weder in ihre Infrastruktur noch in Bildung und Forschung investieren könnten. Deshalb bleibe nichts anderes übrig, als den Pakt so zu gestalten, dass er flexibel sei . „Das ist keine Aufweichung“, sagte der DGB-Vorstand.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wird in der kommenden Woche mit der Bundesbank über die Meinungsverschiedenheiten über die richtige Anwendung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes sprechen, kündigte sein Sprecher am Freitag an. Die Bundesbank hatte die Reformvorhaben des Paktes in der vergangenen Woche ebenfalls als Schwächung des Paktes kritisiert.

Die EU-Kommission hatte jüngst eine flexiblere Anwendung des Paktes vorgeschlagen, die Eichel begrüßte. Zum einen sollen übermäßige Defizite schon bei längeren Phasen wirtschaftlicher Stagnation, und nicht erst bei einer Rezession, möglich sein. Im Gegenzug soll in guten Zeiten mehr gespart werden. Die Frist zum Abbau einer zu hohen Neuverschuldung soll über ein Jahr ausgedehnt werden. Der Pakt begrenzt die Neuverschuldung der EU-Staaten auf drei Prozent des Bruttoinlandproduktes. Allerdings haben Frankreich und Deutschland dreimal hintereinander gegen die Regeln verstoßen – und den Pakt de facto ausgesetzt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund unterstützt die Reformpläne für den Europäischen Stabilitätspakt. „Es geht in die richtige Richtung, der Wind dreht sich in der europäischen Wirtschaftspolitik“, sagte DGB-Vorstand Putzhammer. Momentan sei es unmöglich, die Neuverschuldung weiter zu drücken. „Der Aufschwung ist ein so zartes Pflänzchen, die derzeitigen Wachstumsraten lassen nicht zu, dass man jetzt schon sagen könnte, wir treten auf die Bremse.“ An den drei Prozent müsse man festhalten, das „steht schließlich jetzt im Vertrag“.

Die Kommission müsse sich entscheiden, welchen Weg sie gehen wolle bei der Reform: Entweder müsse man darauf setzen, dass die Staaten mehr Zeit bekommen, um ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. Oder aber man müsse „Ausreden erlauben“ und die „außergewöhnlichen Ereignisse“, die ein Überschreiten der Defizitgrenze erlauben, „liberalisieren“. Beides sei nicht nötig, sagte Putzhammer.

Putzhammer schlug zudem vor, dass die Ausgaben für Bildung und Forschung aus dem Haushaltsdefizit herausgerechnet werden müssten. Die Europäische Zentralbank forderte er auf, die Zinsen nicht anzuheben. „Die Geldpolitik muss auch dafür sorgen, dass sich die Wachstumskräfte entfalten können.“ Von der Inflation drohten derzeit keine Gefahren, der jüngste Anstieg sei Ergbnis steigender Energiepreise, sagte Putzhammer.

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