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Wirtschaft: Eichels Versprechen sind unverantwortlich

Bund, Länder und Gemeinden müssen sich zum Sparen verpflichten Von Rolf Peffekoven

Die Prozedur wiederholt sich: Im Spätsommer eines Jahres meldet der Bundesminister der Finanzen eine Defizitquote nach Brüssel, die deutlich über der Grenze von drei Prozent liegt. Damit wird eine Überschreitung der durch den Stabilitäts und Wachstumspakt festgelegten Grenze für die Nettokreditaufnahme zugegeben. Gleichzeitig wird stets versichert, im nächsten Jahr solle das gesamtstaatliche Defizit in Relation zum Bruttoinlandsprodukt wieder unter drei Prozent liegen. Dabei ist so gut wie sicher, dass das auch im Jahre 2005 nicht zu erreichen sein wird.

Allein der Bund plant ein Defizit von 22 Milliarden Euro; um wenigstens diesen Betrag einhalten zu können, sollen 15,5 Milliarden Euro Privatisierungserlöse erzielt werden. Diese gehen aber in die Berechnung des Defizits nach Maastrichter Vertrag als Einnahmeposten gar nicht ein. Insofern dürfte der Bund im Jahre 2005 einen „Beitrag“ zur gesamtstaatlichen Defizitquote von etwa 1,8 Prozentpunkten leisten. Nimmt man die geplanten Defizite von Ländern und Gemeinden hinzu, dann ist der nächste Verstoß gegen die Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts abzusehen.

Nun muss schon überraschen, dass die wiederholte Überschreitung der Defizitgrenze auf der EU-Ebene noch akzeptiert wird. Wundern muss auch, warum das gegen Deutschland laufende Defizitverfahren – zumal nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 13. Juli 2004 – nicht fortgesetzt und warum nicht endlich Sanktionen gegen Deutschland (und die anderen Defizitsünder) ergriffen werden. Die Glaubwürdigkeit des fiskalischen Regelwerks in der Europäischen Währungsunion erleidet dadurch schwersten Schaden. Erstaunlich ist aber vor allem, dass der Bundesminister der Finanzen ständig Zusagen macht, deren Einhaltung er gar nicht garantieren kann.

Die Grenze von drei Prozent bezieht sich nicht etwa nur auf das Defizit im Bundeshaushalt, sondern auf die Defizite im gesamten Staatshaushalt, also in den Haushalten der Gebietskörperschaften und der Sozialversicherungen. Der Bund kann nur das eigene Haushaltsdefizit direkt planen und über gesetzliche Maßnahmen das der Sozialversicherungen beeinflussen; die Länder (und damit indirekt auch deren Gemeinden) sind dagegen in ihrer Haushaltswirtschaft selbstständig und unabhängig. Um eine Begrenzung des gesamtstaatlichen Defizits durchsetzen zu können, bedarf es in Deutschland eines nationalen Stabilitätspakts, wie er bereits wiederholt vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen sowie vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gefordert und entworfen worden ist.

In einem nationalen Stabilitätspakt müssten insbesondere folgende Punkte geklärt werden: die vertikale Verteilung des noch zur Verfügung stehenden Kreditrahmens (drei Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) auf den Bund (einschließlich der Sozialversicherungen) und die Länder (einschließlich der Gemeinden) sowie die horizontale Verteilung des der Ländergesamtheit zustehenden Verschuldungsvolumens auf die 16 Bundesländer. Vor allem aber wären Sanktionen festzulegen, wenn in einzelnen öffentlichen Haushalten die zugebilligten Verschuldungsgrenzen überschritten werden. Eine solche verbindliche Regelung fehlt. Mithin kann der Bund auch die Einhaltung der Drei-Prozent-Grenze nicht zusagen.

Der Bundesminister der Finanzen redet zwar immer von einem nationalen Stabilitätspakt und meint damit mehr oder weniger unverbindliche Verabredungen, die im Finanzplanungsrat im Februar 2002 getroffen worden sind. Diese reichen allerdings in keiner Weise aus, die Einhaltung der gesamtstaatlichen Defizitbegrenzung zu gewährleisten, vor allem deshalb nicht, weil die horizontale Verteilung des Verschuldungsrahmens nicht einmal angesprochen und Sanktionsmöglichkeiten nicht vorgesehen sind. Deshalb sind die regelmäßigen Versprechungen des Bundesfinanzministers in der Sache nicht substantiiert und letzten Endes geradezu unverantwortlich.

Rolf Peffekoven ist Professor für Finanzwissenschaften in Mainz und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen.

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