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Wirtschaft: Ein Babysitter für die Wohnung

Von Christian Gmelin Die jüngsten Unwetter hatten es in sich: Sturm über Berlin, Überschwemmungen in Norddeutschland. Kein Wunder, dass es manchem Urlauber, der erst in diesen Tagen zu seiner Ferienreise aufbricht, mulmig ist.

Von Christian Gmelin

Die jüngsten Unwetter hatten es in sich: Sturm über Berlin, Überschwemmungen in Norddeutschland. Kein Wunder, dass es manchem Urlauber, der erst in diesen Tagen zu seiner Ferienreise aufbricht, mulmig ist. Nach den Wetterkapriolen der vergangenen Wochen möchten viele ihr Haus oder ihre Wohnung nicht unbeaufsichtigt zurück lassen. Doch das müssen sie auch nicht.

Untervermietung: Die meisten Urlauber denken spontan daran, die Wohnung während der Abwesenheit zu vermieten. Das bringt gleich zwei Vorteile: Das Eigenheim steht nicht leer, und man streicht noch die Miete ein. Die Mitwohnzentralen sind aber an derartig kurz befristeten Mietverhältnissen nicht interessiert. Dafür sei dieses Segment zu klein, sagt der Vorsitzende des Landesverbands der Mitwohnzentralen, Bruno Richter. „ Es „hängt zu wenig Fleisch am Knochen“, meint Richter, die Sache lohne sich nicht.

Wohnungstausch: Mehr und mehr macht dagegen eine Idee aus Amerika auch in Europa Schule: Der Haus- oder Wohnungstausch zwischen Urlaubern. „Die Bürger dieser Welt sollten im Urlaub ihre Wohnungen tauschen", forderte der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter bereits 1976 und machte es selber vor: Er verbrachte seinen Urlaub in der Wohnung einer brasilianischen Familie in Recife, die dafür sein Haus in Georgia bezog.

„Tausche Reihenhaus in Bochum oder Wohnung in Berlin-Kreuzberg gegen New Yorker Appartement“, heißt es sinngemäß in den Katalogen der Haus- und Wohnungstausch-Agenturen. Das klingt verwegen, ist aber kein Problem. Gerade die entfernungsabgehärteten Amerikaner „setzen sich gerne im Ruhrpott fest, um von dort Spazierfahrten durch Deutschland oder nach Frankreich zu machen“, weiß Gudrun Müller-Daams von „HomeLink-Deutschland“.

Besonders Amerikaner oder Australier stehen dieser Idee aufgeschlossen gegenüber. Nur selten hätten sie ein Problem damit, dass ein Fremder in ihrem Bett schlafe oder sich in der Badewanne aale, berichtet Müller-Daams. Oft stünden dem Tauschpartner sogar Auto, Boot oder die Ferienwohnung zur Verfügung. Was ihren Privatbesitz anginge, seien die Deutschen deutlich angespannter. Weil die Leute aber sparen und überdies ihre Wohnung nur ungern verwaist lassen wollten, setzt sich diese Idee zunehmend auch in Europa durch. Das Vertrauen kommt von allein: Schließlich befindet sich der Tauschpartner in derselben Situation. Und: So ordentlich wie die Tauschfamilie hinterlässt kein Dieb die Wohnung. Falls doch mal was passiert, zahlen Haftpflicht- oder Hausratversicherung. Wenn keine Versicherung greife, springe der Garantiefonds von „HomeLink“ ein, heißt es dort. Das komme aber so gut wie nie vor.

Homesitting: Wem diese Nähe unangenehm ist und wer lieber professionell umsorgt werden will, kann dafür eigens einen Haushüter engagieren. Vertrauenswürdige und finanziell unabhängige Pensionäre versorgen Haustiere, gießen Blumen, pflegen den Garten und übernehmen auf Wunsch auch die Büroarbeit. Bei Bedarf ist der Homesitter auch Babysitter. In Notfällen wie Wasserrohrbrüchen oder Sturmschäden holen sie Handwerker und geben der Versicherung Bescheid. Außerdem schrecken sie Einbrecher ab. Bei über 300000 Einsätzen im vergangenen Jahr sei es zu keinem Einbruch gekommen - im Gegenteil: Glaubt man dem Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Haushüter-Agenturen, Günter Kratz, sind sogar zwei Einbruchsversuche vereitelt worden. So loben auch die Stiftung Warentest und das Bundeskriminalamt das professionelle Haushüten als sinnvollen Schutz gegen Wohnungseinbrüche.

Während das Homesitting in Amerika schon längst gang und gäbe ist, steckt die Branche in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Größte Hemmschwelle für die Deutschen sei das Wissen, ein Fremder schlafe im eigenen Bett. Kratz hält dagegen: Immerhin schlafen auch in Hotelbetten Legionen fremder Menschen, und es stört die nachfolgenden Hotelgäste nicht. Trotz dieses „My home is my castle“-Mottos verzeichnet man auch hierzulande eine steigende Nachfrage nach Haushütern. Das liegt an einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis und dem Wunsch, „sich im Urlaub um nichts kümmern zu müssen und endlich völlig abzuschalten.“ Trotzdem solle man sich vor den „schwarzen Schafen“ auf dem Markt hüten, warnt Günter Kratz. Oftmals hätten die Anbieter keine Betriebshaftpflichtversicherung, falls doch mal etwas zu Bruch ginge.

Wachschutz: Wer sein Bett unbedingt unberührt lassen und trotzdem nicht auf Schutz verzichten will, kann einen Wachdienst verpflichten. Die Unternehmen bieten auch Dienstleistungen jenseits der originären Aufgaben an, berichtet Christian Engel von der Engel GmbH in Berlin. So leere man auf Wunsch den Briefkasten oder versorge das Haustier. Falls gewünscht, könne man die Wohnung auch bewohnen, aber dafür stelle man dann lieber eine Dame ab: „Die sind penibler.“ Kunden der Wachdienste sind zumeist Hauseigentümer, die bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben. „Gerade die gebrannten Kinder scheuen das Feuer“, berichtet Christian Engel. Auf Wunsch kontrolliere man dann deren Haus, „um die Unversehrtheit der äußeren Hülle zu überprüfen.“ Natürlich reiche es nicht, zwei Mal pro Nacht zum Haus zu fahren: „Da lacht sich jeder Einbrecher tot.“ Viel wichtiger sei der Präventivschutz durch mechanische Sicherungen und eine unregelmäßige Kontrolle durch einen Wachdienst.

Dies alles braucht der nicht, der nette und bereitwillige Nachbarn hat. Die stehen in Notfällen bereit, und die Nachbarschaftshilfe kostet meist nur ein Lächeln oder ein kleines Mitbringsel aus dem Urlaub.

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