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Wirtschaft: Ein Bankenskandal mit viel Schmäh

Bawag verzockt eine Milliarde Euro – der österreichische Gewerkschaftsbund wollte das vertuschen

Wien - Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg gab es über die österreichische Bawag, die Bank für Arbeit und Wirtschaft und viertgrößtes Geldinstitut des Landes, ziemlich wenig zu berichten. Das war wohl ganz im Sinne des Eigentümers – dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Jetzt aber vergeht kein Tag, an dem die Bawag nicht mit dem Wort Skandal und Milliardenverlust in Verbindung gebracht wird. Anfang der Woche mussten deswegen vier der acht Vorstände gehen, zuvor war der Präsident des Gewerkschaftsbundes zurückgetreten und auch Aufsichtsratspräsident Günter Weninger erklärte, sein Amt im April niederlegen zu wollen. Dienstagmorgen stellte die Staatsanwaltschaft dann auch noch Haftbefehle gegen zwei ehemalige Bawag-Mitarbeiter aus.

Was war passiert? Im Kern geht es gleich um zwei Skandale, die die Bawag erschüttern. Da ist zum einen die Aufarbeitung der Pleite des US-Brokerhauses Refco, mit dem die Bawag in den vergangenen Jahren eng zusammengearbeitet hat. Als Refco im vergangenen Herbst pleite ging, wurde bekannt, dass die Bawag nur einen Tag vor der Insolvenzanmeldung einen Kredit über 300 Millionen Euro an Refco-Gründer Phillip Bennett überwiesen hatte. In den USA laufen derzeit Sammelklagen gegen die Bawag. Der Vorwurf: Die Bank hätte sich der Konkursverschleppung schuldig gemacht. Auch die Wiener Staatsanwaltschaft untersucht derzeit den Fall – und aus diesen Ermittlungen kommt auch der Haftbefehl gegen Bennett und den österreichischen Investment-Banker Wolfgang Flöttl, Sohn des ehemaligen Bawag-Chefs Walter Flöttl.

Flöttl junior steht allerdings auch im Zentrum des zweiten Bawag-Skandals, der zu den Massenentlassungen und Rücktritten geführt hat. Erst in der vergangenen Woche ist bekannt geworden, dass Flöttl im Auftrag der Bawag mit wilden Finanzspekulationen in der Karibik eine Milliarde Euro verzockt hat. Das Geld hatte er in den Jahren 1995 bis 2000 in hochriskante Wertpapier- und Fondsgeschäfte gesteckt.

Durch diese Verlustgeschäfte stand die Bawag kurz vor der Insolvenz. Die Bank konnte nur gerettet werden, weil der ÖGB für sie bürgte. Dafür wurde auch der Streikfonds der österreichischen Gewerkschaften eingesetzt.

Die Bürgschaft ist zwar nie wirksam geworden und die Bank längst wieder sicher aufgestellt – skandalös aber bleibt, dass das damalige Finanzdesaster vertuscht worden ist. Nur eine Hand voll Eingeweihter wusste von den Schwierigkeiten – weder die Bankenaufsicht noch ein Mitglied des Aufsichtsrates wurden informiert. Auch die bayerische Landesbank, damals immerhin mit 46 Prozent an der Bawag beteiligt, hatte keinen Schimmer von den Verlusten.

Für das Ansehen des ÖGB ist die Karibik-Affäre katastrophal. Denn der Gewerkschaftspräsident hatte seine Kontrollorgane nicht darüber informiert, dass er den Streikfonds für die Bawag belastet hatte – und im schlimmsten Fall das gesamte Vermögen des ÖGB verloren gegangen wäre. ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch rechtfertigt sich damit, dass zu große Öffentlichkeit die Bank möglicherweise wirklich in den Ruin getrieben hätte. Er glaubt nach wie vor, damals richtig gehandelt zu haben.

Dass dem nicht so gewesen ist, hat Verzetnitsch am Montag deutlich zu spüren bekommen – er musste nach 19 Jahren an der Spitze der Gewerkschaft seinen Posten räumen.

Markus Huber[Wien]

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