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Wirtschaft: Ein erfolgreicher Streiter gegen die Energie-Riesen

BERLIN .Am 29.

BERLIN .Am 29.April fielen die Gebietsmonopole der deutschen Energiekonzerne: Beginn einer neuen Zeitrechnung für eine Branche, die jahrzehntelang im wettbewerbsfreien Raum satte Monopolgewinne einstreichen konnte.Wenn sich Industrie- und Privatkunden seitdem rapide fallender Strom- und Gaspreise erfreuen, ist das zum Großteil das Verdienst des Berliner Bundeskartellamtes, oder genauer: Der achten Beschlußabteilung und ihres Leiters, Kurt Markert.Die taktischen Finessen und die Hartnäckigkeit der Wettbewerbshüter um Markert sorgten für den entscheidenden Anstoß, der zum Fall des letzten deutschen Monopolbereichs führte.

"Ohne ihn wäre die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte nicht zustande gekommen", urteilt Professor Franz Jürgen Säcker vom Institut für Energierecht an der Freien Universität.Markerts Kompetenz, Geschick und Verhandlungsstärke nötigen selbst den "Gegnern" oder "Opfern" des Kartellwächters Achtung ab."Kurt Markert hat sich den Respekt der gesamten deutschen Stromwirtschaft erworben", sagt Dietmar Winje, Vorstandsvorsitzender des Berliner Energieversorgers Bewag.Markert tritt am 30.Juni in den Ruhestand.Kartellrechtler und Vertreter der Energiewirtschaft verabschieden sich am heutigen Mittwoch mit einem Kongreß zu Fragen des Energierechtes an der Freien Universität.

Die Geschichte, die zum Ende der Strommonopole führte, trägt Züge eines Wirtschaftskrimis.Der promovierte Jurist und Volkswirt Kurt Markert übernahm 1987 "nur mit Grausen" die Energieabteilung des Bundeskartellamtes.Seit seinem Eintritt in das Amt im Jahre 1962 hatte er klassische Industriebereiche reguliert.Nun fühlte er sich "in die Steinzeit versetzt": Ein mächtiges Energiekartell hatte den Versorgungsmarkt unter sich aufgeteilt.Die Konzerne hatten es geschafft, in das Kartellgesetz von 1958 die Energiewirtschaft als Ausnahmetatbestand festzuschreiben.Folglich hackte in der Branche keine Krähe der anderen ein Auge aus.In ihren gesetzlich geschützten Gebieten konnten die Konzerne von der unter der Abgabenlast ächzenden Industrie Strom- und Gaspreise kassieren, die zum Teil bis zu 40 Prozent über dem europäischen Durchschnitt lagen.

Bei seinem Studium in New York hatte Markert das amerikanische Anti-Trust-Recht kennengelernt.Er wollte nicht einsehen, warum in Deutschland nicht möglich sein sollte, was in den USA mit Erfolg praktiziert wurde.Die "Inseln des Monopolismus in einer Wettbewerbswirtschaft" waren unzeitgemäß.Markert wollte die "Gebietsmonopole sturmreif schießen".

Den ersten Schuß feuerte Markerts Abteilung 1992 gegen RWE ab.Der Essener Energieriese hatte mit der Stadt Kleve einen exklusiven Konzessionsvertrag abgeschlossen.Nur RWE sollte in der niederrheinischen Stadt Leitungen verlegen dürfen.Durch die Ausnahmeregelung im deutschen Kartellrecht war das entstehende Monopol eigentlich unangreifbar.Doch Markert versuchte einen Kunstgriff: Wenn deutsches Recht nicht weiterhalf, mußte es das europäische tun.Weil Kleve im grenznahen Bereich liegt, benachteiligt der Konzessionsvertrag niederländische Versorger, argumentierte er.Die EU-Wettbewerbshüter in Brüssel zogen mit.Ein erster Präzedenzfall war geschaffen: Deutsche Gebietsmonopole waren nicht mehr unantastbar.

"Es ist Markerts Verdienst, daß er die Möglichkeiten des EU-Rechts gesehen und den Stier umgehend bei den Hörnern gepackt hat", bilanziert der Energierechtsexperte Säcker.Die nächste Verfügung erließ das Amt gegen die Absprachen zwischen RWE und der Stadt Nordhorn - wiederum nach EU-Recht."Natürlich haben wir mit Bedacht einen grenznahen Fall ausgewählt", erinnert sich Markert: "Wir wollten ja das System knacken."

Der Durchbruch kam, als es dem Amt im Fall Ruhrgas/Thyssengas dann erstmals gelang, Gebietsabsprachen zwischen deutschen Energiekonzernen mit Hilfe von EU-Gesetzen auszuhebeln."Es kam eine gewisse Sogwirkung auf", erinnert sich Rechtswissenschaftler Säcker."In der Szene gab es eine Art Klimawechsel." Auch die deutsche Politik beschäftigte sich jetzt stärker mit dem Thema.Bislang war die Energiemarkt-Liberalisierung vor allem auf EU-Ebene diskutiert worden.Der Dienstherr Markerts, Bundeswirtschaftsminister Rexrodt setzte sich jetzt dafür ein, daß die Öffnung des deutschen Energiemarktes ein Jahr früher und wesentlich umfassender in Kraft trat, als nach der europäischen Stromrichtlinie vorgesehen.Die deutschen Strom-Monopole fielen am 29.April - pünktlich zum Ende der 35jährigen Amtszeit Kurt Markerts."Es stimmt", sagt dieser heiter: "Ich gehe mit einer gewissen inneren Befriedigung aus dem Amt."

DANIEL WETZEL

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