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„Eine enge Liaison“ pflegen Rüdiger Grube und Roland Pofalla, heißt es über die beiden. Das finden nicht alle gut. Foto: Imago

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"Ein heftiger Warnschuss": Pofalla-Debatte löst Führungschaos bei der Bahn aus

Vorstandschef Rüdiger Grube wird wegen seiner Informationspolitik im Fall Pofalla heftig attackiert. Vor allem mit seinem obersten Kontrolleur liegt er über Kreuz.

Rüdiger Grube muss stundenlang telefonieren, jeden Tag. Als Bahn- Chef hat er sich mit vielen Leuten herumzuärgern – mit genervten Kunden, mit säumigen Zug-Lieferanten, mit den wichtigsten seiner 300 000 Beschäftigten, mit vielen anderen. Da ist jede Entlastung willkommen. So zum Beispiel am 5. März des vergangenen Jahres. Da klingelte früh am Morgen bei mehreren Aufsichtsräten des Staatsunternehmens das Telefon, es ging um frische Milliarden für den Bahnhofsbau Stuttgart 21. Sie sollten das Geld bei der für diesen Tag anberaumten Sitzung doch bitte unbedingt freigeben, das sei sehr wichtig, appellierte der Anrufer. Es war aber nicht etwa Viel-Telefonierer Grube. Am anderen Ende der Leitung sprach Ronald Pofalla (CDU), damals noch Chef des Kanzleramtes. Und sehr bemüht um das Wohl der Bahn.

Der Aufsichtsrat stimmte zu – und Grube und Pofalla konnten einen wichtigen Erfolg verbuchen. Heute, zehn Monate später, bringt ihnen ihre enge Allianz viel Ärger ein. Mit der Idee, Pofalla als obersten Lobbyisten im Bahn-Vorstand einzustellen, hat Grube für viel Kritik gesorgt, von der Opposition, von Lobbyismus-Skeptikern, sogar von Parteifreunden. Und von Utz-Hellmuth Felcht, Vorsitzender des Aufsichtsrates und mithin Grubes Chef. Er habe „keine Kenntnis von Überlegungen zur Erweiterung des DB-Vorstandes beziehungsweise zur Bildung neuer Vorstandsressorts“, ließ der mitteilen – nachdem die öffentliche Debatte darüber vier Tage gelaufen war.

Dass ein Aufsichtsratschef seinem Vorstandsvorsitzenden so in die Parade fährt, ist ein höchst seltener Vorgang – und zeugt von heftigen atmosphärischen Störungen zwischen beiden. Grund der Verstimmung ist, dass Grube die Personalie Pofalla seit Monaten geplant hat – aber die Kontrolleure des Konzerns im Unklaren ließ. Dabei sind Vorstands-Angelegenheiten allein Sache der Aufsichtsräte. „Eigentlich ist der Felcht ein ruhiger, besonnener Mensch“, sagt einer, der den früheren Degussa-Chef kennt. „Aber das hat ihn aufgeregt.“ Die Probleme für Grube werden daher nicht kleiner.

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„Das ist ein heftiger Warnschuss für ihn“, urteilte ein Bahn-Aufsichtsrat im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Das muss er sehr ernst nehmen.“ Dass Pofalla jetzt noch als Vorstand vermittelbar ist, glaubt er nicht. „Wenn jemand so in die Presse kommt, ist er verbrannt.“

„Eine weitere Ausdehnung des Vorstands wird es nicht geben“

Grubes Leute bei der Bahn hoffen, dass sich die Debatte in den nächsten Tagen beruhigt – und schweigen. Andere tun das nicht, etwa Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe vom Pofalla-Plan Ende November erfahren und zu einer „gewissen zeitlichen Distanz“ beim Wechsel geraten, berichtete er am Montag. Auch das lässt sich als Kritik an Grube verstehen.

Deutlicher wurde Alexander Kirchner, Vize-Aufsichtsratschef der Bahn und Vorsitzender der Gewerkschaft EVG. „Die Bundesregierung und der Bahn-Vorstand müssen endlich erklären, was Sache ist“, sagte er dem Tagesspiegel. Eine rasche Bestellung Pofallas, etwa auf der Sondersitzung der Kontrolleure am 30. Januar, schloss er aus. Kirchner: „Das wird nicht auf die Tagesordnung kommen“, schließlich habe sich das Gremium mit den Aufgaben und Zielen eines solchen Postens noch gar nicht befasst. Überhaupt: „Eine weitere Ausdehnung des Vorstands wird es nicht geben“, sagte Kirchner. Aktuell führen acht Vorstände die Bahn. Geplant gewesen sei, das Management mittelfristig sogar zu verkleinern, erzählt ein anderer Aufsichtsrat – hier seien die drei Vertreter der Regierung im Aufsichtsrat einer Meinung gewesen.

Dabei finden viele die Idee, einen Experten mit dem Politik-Geschäft zu betrauen, nicht dumm. „Ein Außenminister für die politischen Themen, wie Otto Wiesheu es bis 2009 war, ist sinnvoll“, sagt EVG-Mann Kirchner. „Der Vorstandschef verbringt zu viel Zeit mit Lobbying“, findet auch ein anderer Kontrolleur. „Das muss sich ändern.“ Auch in der Regierung ist man aufgeschlossen – Grube müsse nur auf die Grenzen seiner Kompetenzen achten. Dann sei nicht einmal ausgeschlossen, dass Pofalla doch noch zur Bahn komme. „Aber erst nach einer Karenzzeit – irgendwann im zweiten Quartal“, heißt es in Regierungskreisen.

Bleibt die Frage, warum die Personalie Pofalla überhaupt ans Licht kam – in nachrichtenarmer Zeit und viel früher, als von Grube eigentlich geplant. Variante eins: „Es gibt viele, die mit Pofalla noch einen gut hatten“, sagt ein Regierungs-Insider mit Blick auf dessen Zeit im Kanzleramt. Etwa die FDP, die viele ihrer Wünsche bei Pofalla nicht durchbekam.

Variante zwei: Die Lokführer-Gewerkschaft GDL, der Union und der FDP nahestehend, hat von Grubes Plan Wind bekommen – und ihn öffentlich gemacht. Nebeneffekt: Im aktuellen Tarifstreit ist die Bahn angezählt, noch bevor es überhaupt zum ersten Schlagabtausch kommt.

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