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Viele Arbeiter haben bei dem Einsturz Arme oder Beine verloren. Jetzt fehlt ihnen das Geld für Behandlung und Prothesen.

© pa/dpa

Ein Jahr nach dem Einsturz einer Textilfabrik: Viele Firmen haben noch keinen Cent Entschädigung gezahlt

Noch immer warten Opfer des Einsturzes der Fabrik Rana Plaza auf Entschädigungszahlungen – auch von deutschen Firmen. Den Menschen fehlt das Geld für die Behandlung.

Von Maris Hubschmid

Berlin - Ahila Begum protestiert vor Modemärkten in Frankfurt am Main und Hamburg. Vor dem Billiganbieter Kik hat sie sich positioniert, vor der italienischen Modekette Benetton, auch das deutsche Unternehmen Adler steht auf ihrer Liste. Vier Tage lang reist Begum durch Deutschland. Ihr Anliegen: Die Ketten sollen „endlich substanzielle Zahlungen in den Entschädigungsfonds leisten.“ Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) koordiniert den Fonds, aus dem Familien in Bangladesch unterstützt werden sollen, denen das Unglück die Existenzgrundlage genommen hat. Kik hat kürzlich 500 000 Dollar, umgerechnet 360 000 Euro, überwiesen. „Viel zu wenig“, sagt Begum, „es fehlt an allem.“ Die Opfer der Katastrophe könnten die nötigen medizinischen Behandlungen nicht zahlen, viele bräuchten Prothesen, sind arbeitsunfähig, hätten kaum Geld für Essen. Ahila Begum ist eine Überlebende des Zusammensturzes, sie selbst hat in der Fabrik für den deutschen Markt T-Shirts genäht, zehn bis zwölf Stunden am Tag.

Von 40 Millionen kamen erst sieben an

Unterstützt wird Begum auf ihrer Reise von Gewerkschaftskollegin Safia Parvin und Organisationen wie der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC). Die Frauen hoffen, mit den Aktionen den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen, die in Rana Plaza produzieren ließen. 40 Millionen Dollar sollten zusammenkommen, so hatte es die ILO ausgerechnet, das wären knapp 8000 Euro pro Opfer. Laut CCC sind erst sieben Millionen angekommen.

Das deutsche Unternehmen Adler hat noch gar keinen Beitrag geleistet. Adler sieht nicht ein, warum: „Adler hatte zu keinem Zeitpunkt Geschäftsverhältnisse mit Firmen aus dem Rana-Plaza-Komplex“, sagt Sprecher Bruno Seifert. Dass in den Trümmern Etiketten mit dem Adler-Logo gefunden wurden, erklärt er so: „Ein Lieferant hat vertragsbrüchig gehandelt und einen Auftrag von uns weitergegeben.“ Die Zusammenarbeit sei daraufhin sofort beendet worden. Dass man nun in einem Atemzug mit Weltkonzernen genannt werde, die Massenaufträge an Rana Plaza gegeben hätten, sei ungerecht.

„Fast jedes Unternehmen, das angesprochen wurde, hat zunächst abgewunken“, sagt Frauke Banse von der CCC. „Wir haben am Unglückstag nicht produzieren lassen“, habe es geheißen, oder „wir haben nichts gewusst.“ Alle schöben die Verantwortung ab, verkauften Teilzahlungen als großzügige Geste. Geld gab es von C&A, El Corte Inglés, Primark und Walmart.

Erst die Hälfte der Fabriken wurde kontrolliert

Die Menschen in Bangladesch brauchen es dringend. Der neue Mindestlohn, der 2013 eingeführt wurde, kommt längst nicht bei allen an. Wer in Bangladesch Regeln breche, werde nur selten dafür belangt, beobachtet die ILO. Zu sehr bange die Regierung um die Aufträge der ausländischen Produzenten.

Einen Fortschritt stellt auf jeden Fall das Brandschutzabkommen „Accord“ dar, das zahlreiche Unternehmen unterzeichnet haben. Es sieht vor, dass alle Fabriken auf Statik und Brandschutz geprüft werden. Auch Adler hat unterschrieben. Von 23 Betrieben, in denen man produzieren lasse, sei allerdings erst die Hälfte geprüft und für sicher erklärt worden, sagt Sprecher Seifert. „Das liegt daran, dass es noch zu wenig ausgebildete Kontrolleure gibt.“ 5700 Fabriken zählt das kleine Land. Bei Adler macht man sich dennoch keine Sorgen: „So was wie Rana Plaza kann bei unseren Lieferanten nicht passieren. Die Gebäude, in denen wir produzieren, sind maximal vierstöckig.“

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