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Wirtschaft: Ein Keks-Imperium zerbröselt

DÜSSELDORF . Ein Charakterzug hat in der Familie Bahlsen Tradition: Immer weitermachen, koste es, was es wolle.

DÜSSELDORF . Ein Charakterzug hat in der Familie Bahlsen Tradition: Immer weitermachen, koste es, was es wolle. Wie der Vater, so die Söhne. Das Geschäft mit den Knabbersachen können die Brüder Werner Michael und Lorenz Bahlsen nicht aufgeben - auch wenn schon so mancher wohlmeinende Berater ihnen das in der Vergangenheit nahegelegt hat. Für sie ist es mehr als das täglich Brot. Ein Leben ohne Bahlsen ist für sie nicht vorstellbar.

Das hat ihnen der Vater vorgelebt: Werner Bahlsen, der noch bis ins hohe Alter den Chefsessel nicht räumen wollte und bis zu seinem 81. Lebensjahr - im Jahre 1985 - in der Firmenpolitik mitmischte. Zumindest herrschte in jener Zeit Einigkeit im Familienclan, zumal Vater Werner das Unternehmen zweimal vor dem Ruin rettete: Er schaffte es, die Firma durch die Weltwirtschaftskrise zu steuern, und auch den zweiten Weltkrieg überlebt die Keks-Fabrik. Doch im Laufe der Jahre werden viele im Betrieb - auch seine Kinder - unzufrieden, weil Vater Werner sich nicht aus dem Geschehen verabschieden mag. Und das Testament, das der Gründersohn seinen Nachkommen hinterläßt, stiftet weiteren Ärger. Der bis zum Jahr 2000 gültige Gesellschaftervertrag ist zwar 100 Seiten lang, aber er schafft keine klaren Verhältnisse, sondern kettet sämtliche Familienmitglieder an das Unternehmen: Werners Bruder Klaus, Werners Kinder Werner Michael, Lorenz und Andrea sowie deren Vetter Hermann. Und wer aussteigen will, verliert viel Geld.

Damit begann das "Dallas von Hannover", wie der Familienkrach auch genannt wird. Denn die Führungsriege gleicht mehr einer Zwangsgemeinschaft als einem Team. Und man sagt ihr nach, mehr Zeit am Schreibtisch der jeweiligen Anwälte als zusammen bei wichtigen strategischen Entscheidungen zu verbringen. "Es herrscht ein Klima des Mißtrauens und des gegenseitigen absichtlichen Blockierens", hat Werner Michael Bahlsen einmal dazu gesagt. Immerhin werden es weniger Streithähne im Laufe der Zeit. Im Jahr 1991 stirbt Klaus Bahlsen. Drei Jahre später steigt Hermann Bahlsen aus dem Geschäft mit den Keksen aus. Anders als seine 20 Jahre jüngeren Vetter ist er der Ansicht, daß sämtliche Erben den Chefsessel räumen sollten. So soll es auch Hermann Bahlsen gewesen sein, der das Bahlsen-Imperium an den Tabak-Konzern Philipp Morris verkaufen wollte - Philipp Morris bot damals zwei Mrd. DM für das Unternehmen.

An diesem Familienkrach ging das Unternehmen fast zugrunde. In letzter Minute rangen sich alle Beteiligten dazu durch, den Zwist im Stillen und nicht vor Gericht beizulegen. Hermann Bahlsen verabschiedet sich aus dem Unternehmen, und mit ihm die US-Tocher Austin. Endlich gehöre ihm nun ein Unternehmen, das gut geführt sei, provoziert Hermann seine Verwandtschaft.

Nach dem Abgang Hermanns geht der Kampf zwischen den Geschwistern weiter. Werner Michael übernimmt den autoritären Führungsstil des Vaters. Jeden Tag mache er das Unternehmen mit einer neuen Idee verrückt, stöhnen die Mitarbeiter. Er sei herrschsüchtig und verwechsele Kreativität mit Chaos, sagen die Gegner. Schließlich verbünden sich Andrea und Lorenz gegen den Bruder. So hat auch dieses Trio keinen Erfolg. Schließlich ringen sich die drei dazu durch, einen familienfremden Manager zu beauftragen, nachdem das Unternehmen im Jahr 1997 einen satten Verlust von 20 Mill. DM einfährt. Doch die Suche zieht sich hin - einerseits, weil kein Kandidat dem Trio gefallen mag, andererseits, weil gute Manager lieber ein Minenfeld betreten als ein Familienunternehmen.

Nun ist der Familienzwist offenbar vorbei. Werner kümmert sich fortan um das Geschäft mit den Keksen, sein Bruder Lorenz um die salzigen Knabbersachen, und die Firmen in der Schweiz und in Österreich gehören dem Schwager Gisbert von Nordeck - die Schwester Andrea ist inzwischen verstorben. Und während sich andere Betriebe für den Kampf um die Marktanteile zusammenschließen, während große Firmen kleine verspeisen und dabei wachsen und wachsen, zerbröselt das Bahlsen-Imperium immer mehr - bis es am Ende doch von einem anderen großen Konzern verschluckt wird.

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