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Wirtschaft: „Ein Klima der Angst“

Verdi hat ein Schwarzbuch über Lidl erstellt– der Discounter wehrt sich

Berlin An diesem Freitag wird die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi das „Schwarzbuch Lidl“ vorstellen. Zwei Jahre haben die Autoren recherchiert und mit Mitarbeitern des Discounters gesprochen. Herausgekommen ist ein Bericht „über ein Klima der Angst bei Lidl “, heißt es bei Verdi. Der Discounter wehrt sich jetzt erstmals konkret gegen die Vorwürfe und spricht von einer „Diffamierungskampagne“, die die Gewerkschaft gegen das Unternehmen führe. „Die Kampagne ist Ausdruck für das Dilemma der Gewerkschaft, dass sie bei den wachstumsstarken Discountern unter den Beschäftigten kaum auf Zuspruch stößt“, sagt Lidl-Geschäftsführer Klaus Gehrig.

Die Arbeitsbedingungen bei Lidl seien „menschenunwürdig“, lautet der Hauptvorwurf der Gewerkschaft. Arbeitszeiten bis zu zwölf Stunden und mehr am Tag, oftmals keine Mittagspause, unbezahlte Überstunden, Arbeit auf Abruf. Immer wieder versuche der Konzern langjährige Mitarbeiter loszuwerden, weil sie vom Gehalt her teurer sind als ein Berufsanfänger. Auf diese Verkäuferinnen werde dann massiver Druck ausgeübt. Sie würden stundenlang mit verhörähnlichen Methoden bearbeitet, bis sie endlich einen Aufhebungsvertrag unterschreiben. Es sind solche Fälle, die das Schwarzbuch auflistet.

Oder die Geschichte einer Verkäuferin, die sie in der ZDF-Sendung „Frontal 21“ erzählt hat. Bei Lidl sei der Druck brutal, sie habe alles machen müssen: Bestellung, Lagerarbeiten, Regale auffüllen, putzen und kassieren. Oft sei niemand da gewesen, der sie habe ablösen können. „Ich hatte nicht einmal Zeit auf Toilette zu gehen“, erzählt die Frau. Denn wenn sie die Kasse verlassen hätte, hätte es eine Abmahnung gegeben. „Oft bin ich nach Hause gekommen und hatte einen nassen Schlüpfer“, sagt sie.

Lidl hingegen betont, dass „im Gegensatz zur Verdi-Darstellung in den Unternehmen das Klima ausgezeichnet und erfolgsorientiert ist“. Eventuelle Verstöße bestreitet das Unternehmen zwar nicht. Das seien jedoch „immer Einzelfälle und eine Folge des schnellen Wachstums“. Sie würden sofort nach ihrem Bekanntwerden abgestellt.

Verdi arbeitet schon seit Jahren daran, Betriebsräte in den Filialen des Discounters aufzubauen. „Aber Lidl setzt alles daran, um die Wahl von Arbeitnehmervertretern zu verhindern“, sagt Agnes Schreieder von Verdi. Wie viele der rund 2500 Lidl-Filialen in Deutschland einen Betriebsrat haben, dazu will sich der Konzern nicht genau äußern. „Es gibt 314 Betriebsratsgremien in der SchwarzGruppe“, ist alles, was eine Sprecherin dazu sagt. Neben Lidl aber gehören zur Schwarz-Gruppe noch 452 Kaufland-Filialen, Markt-Kauf- und Concord-Verbrauchermärkte. Nach Verdi-Angaben jedenfalls haben nur sieben der Lidl- Märkte einen Betriebsrat.

Die Schwarz-Gruppe beschäftigt 151000 Mitarbeiter – davon 33000 in Deutschland – und rechnet für 2004 mit einem Umsatz von 36 Milliarden Euro. 2005 feiert der Konzern sein 75. Firmenjubiläum. Sein Geschenk: 1600 zusätzliche Ausbildungsplätze. dro

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