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Wirtschaft: Ein Leben im Luftschloss

Alberto Vilar, Investor und Mäzen, ist wegen Betrugs angeklagt. Der Dotcom-Crash hat sein Imperium zerstört

Sein ganzes Leben war stets eine Fantasie“, so kommentierte Sarah Gordon, frühere Biotech-Analystin bei Amerindo Investment Advisors, das Schicksal ihres damaligen Chefs Alberto Vilar, der vor zwei Wochen wegen Betrugsverdachts verhaftet wurde. Nur gegen eine Kaution von zehn Millionen Dollar kam er wieder auf freien Fuß.

In der Tat fantastisch liest sich der Werdegang des 64-jährigen Investors und Kunstmäzens, dessen schillernde Karriere ihr vorläufiges Ende fand, nachdem eine Klientin, die New Yorkerin Lily Cates, ihn bei den Behörden angezeigt hatte, sie um fünf Millionen US-Dollar (3,98 Millionen Euro) betrogen zu haben. Mit dem Geld soll Vilar Spenden an Opernhäuser, eine Wohltätigkeitsparty in seiner New Yorker Wohnung und die Reparatur seiner Spülmaschine bezahlt haben. Vilars Anwälte versichern, die Vorwürfe seien falsch. Was falsch und was richtig ist, sollen die derzeit laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben. Eine Bundesanklagekammer in New York hat jedenfalls Anklage wegen Betrugs und Geldwäsche erhoben.

In den Medien plauderte Vilar Jahre lang immer wieder gern über seine schwierige Herkunft als Sohn verarmter kubanischer Einwanderer. Wie ein Verwandter jetzt mitteilte, wurde Vilar in New Jersey und nicht in Kuba geboren, und seine Eltern tauften ihn Albert, nicht Alberto. Der junge Vilar besuchte zunächst das Washington & Jefferson College in Pennsylvania und erwarb dann den Abschluss Master of Business Administration (MBA) am Iona College in Westchester, New York. Nach einer ersten Anstellung bei einer Investmentfirma ging er nach Kuwait, wo er für einen Finanzberater tätig war.

Dort traf Vilar auf Gary Tanaka, einen Absolventen des Massachusetts Institute of Technology, mit dem er Anfang der 80er Jahre dann Amerindo gründete und nach London ging. Amerindos Investmentstrategie war simpel und riskant. Vilar glaubte an Momentum-Investing, eine Strategie, bei der systematisch bei steigenden Kursen Aktienpositionen aufgebaut werden. Die 90er Jahre brachten immense Erfolge: Zunächst schnellten die Biotechnologie-Aktien in die Höhe, dann die Technologie-Werte. Die Aktienkurse junger Börsenfirmen verdoppelten oder verdreifachten sich am ersten Handelstag. Amerindo wurde ein heißes Thema an der Wall Street.

Bereits Anfang der neunziger Jahre begann Vilar, sich „Alberto“ zu nennen, um seine hispanischen Wurzeln zu betonen – zu einer Zeit, als Pensionsfonds ein zunehmendes Interesse hatten, Firmen zu unterstützen, die im Besitz von Minderheiten waren. Er zog namhafte Klienten an Land, darunter die Weltbank und eine Reihe öffentlich-rechtlicher Pensionskassen.

Ende des Jahrzehnts hatte Vilars Investmentfirma beeindruckende Resultate vorzuweisen. 1998 erzielte der Amerindo Technologiefonds ein Gewinnplus von 85 Prozent. Im darauffolgenden Jahr waren es 249 Prozent. Vilar verstand es, den Dotcom-Boom zu nutzen und investierte die Gelder seiner Klienten in neue Unternehmen wie Ebay, Amazon und Priceline. Auf dem Höhepunkt der Börsenblase verwaltete er acht Milliarden Dollar.

Außerhalb der Wall Street gab Alberto Vilar sich als Philanthrop. 1998 sagte der glühende Opernliebhaber der New Yorker Metropolitan Oper eine Spende in Höhe von 20 Millionen Dollar zu. Ein Zuschauerrang wurde nach dem edlen Spender benannt. Später entfernte das Opernhaus den Namenszug wieder, nachdem Vilar seine Zusage nicht einhielt. 1999 folgten ähnliche üppige Versprechungen für das Royal Opera House in Covent Garden, die Kirov-Oper in St. Petersburg und die Carnegie Hall in New York. Allerdings wurde von den zugesicherten Millionenbeträgen in allen Fällen nur ein Teil tatsächlich ausbezahlt. Denn die Finanzwelt des spendablen Alberto Vilar geriet allmählich ins Wanken.

Die Technologie-Aktien brachen im Jahr 2000 zusammen und zeigten keine Anzeichen einer Erholung. Wenn das „Forbes“-Magazin Vilar 2002 noch unter den Reichsten der Welt auf Rang 445 führte, so war der Mäzen in Wahrheit schon kaum mehr in der Lage, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Rechnungen blieben unbezahlt, ebenso wie seine Haushälterin Pilar Perez. Die Renovierung seines 30-Zimmer-Apartments an der New Yorks Upper East Side kam zum Stillstand, und auf Reisen buchte Vilar nicht mehr die komfortabelsten Hotels. Als der Technologie-Markt sich 2003 erholte, verzeichnete Amerindos Technologiefonds noch mal eine Gewinnsteigerung von 85 Prozent, im vergangenen Jahr nochmals um 23 Prozent, und dem Magazin „BusinessWeek“ versicherte Vilar, er wollte weiterhin auf das Internetgeschäft setzen, um seinen Spendenzusagen nachzukommen.

In diesem Jahr brach schließlich alles zusammen. Vilars Technologiefonds musste einen Verlust im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen. Im April gab Vilar an, er verfüge über keinerlei Vermögen, keine Bankkonten oder Bankschließfächer. „Amerindo bezahlt für meine Kreditkarte“, sagte er einem New Yorker Anwalt. Als Vilar vor zwei Wochen verhaftet wurde, plante er gerade eine Reise mit einem engen Freund, einem Neurochirurgen der Columbia-Universität, nach Paris, um dort dessen Eintritt in den Ruhestand zu feiern. Auf dem Rückweg wollte er einen Zwischenstopp in London einlegen und Prinz Charles zum Dinner treffen. Wie bei allen anderen Finanzskandalen sind auch hier die Einzelheiten verwickelt genug, um Journalisten, Anwälte und Richter auf Jahre hin zu beschäftigen. Und vielleicht findet sich jemand, der aus dieser amerikanischen Tragödie eine Oper macht.

L.P. Cohen[A. Lucchetti], M. Baram

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