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Wirtschaft: Ein Liter Diesel aus vier Kilo Holz

Die Firma Choren hat den Treibstoff „SunDiesel“ erfunden. Nun beginnt die industrielle Produktion

Angefangen hat alles 1990. Damals wagten vier Mitarbeiter des DDR-Instituts für Kraftwerke (Orgreb) den Sprung in die Selbstständigkeit. Ihre Vision: Sie wollten die „Sonne in den Tank“ holen. Heute beschäftigt Choren – so heißt das Unternehmen mittlerweile – 130 Mitarbeiter. Im sächsischen Freiberg hat es die weltweit erste Anlage errichtet, die Biomasse in Kraftstoff umwandelt.

Der Fachausdruck für diesen Prozess heißt „Biomass to Liquid“ (BTL). Das Verfahren läuft in zwei Schritten ab: Zunächst werden pflanzliche Reststoffe – zum Beispiel Holz oder Stroh – in Synthesegas konvertiert. Dies geschieht mit Hilfe des von Choren selbst entwickelten „Carbo-V-Verfahrens“. Dabei wird die Biomasse bei 500 Grad Celsius in ihre flüchtigen und festen Bestandteile aufgespalten, wobei das entstehende Gasprodukt hoch energetisch ist.

Im zweiten Schritt wird dieses Gas dann über die so genannte Fischer-Tropsch-Synthese verflüssigt: Es entsteht der Biokraftstoff „SunDiesel“. „Energetisch ist die BTL- Herstellung absolut autark“, erklärt Choren-Ingenieur Matthias Rudloff. „Außer Biomasse kommt nichts anderes rein.“

Die Rohstoffe für die Produktion bezieht Choren von örtlichen Landwirten, vom sächsischen Staatsforst und von Sägewerken. Für einen Liter SunDiesel benötigt das Unternehmen vier Kilogramm Pflanzenmaterial. Derzeit produziert Choren zwar erst wenige hundert Liter am Tag. Aber eine industrielle Anlage ist bereits in Bau, 2007 soll sie in Betrieb gehen. „Dann schaffen wir 15 000 Tonnen SunDiesel im Jahr“, erklärt Rudloff. „Das ist eine Größenordnung, die auch die Automobilindustrie interessiert.“ Volkswagen und Daimler-Chrysler sind als Partner bereits mit im Boot. Der Ölkonzern Shell, der als künftiger Hauptabnehmer für SunDiesel vorgesehen ist, hält an Choren sogar einen Minderheitsanteil.

Noch sieht sich Choren allerdings als Start-up-Unternehmen, die meisten Eigentümer sind private Investoren. „Wir machen zurzeit keinen großen Umsatz“, berichtet Rudloff. Außer dem Hauptsitz in Freiberg gibt es nur noch ein kleines Büro in Hamburg. In Zukunft könnte das Unternehmen jedoch wachsen: Insgesamt fünf BTL-Projekte hat sich Choren in Deutschland vorgenommen, als potenzielle Standorte gelten Lubmin, Dormagen und Uelzen. Voraussetzung für die Expansion ist allerdings, dass die industrielle Anlage in Freiberg bis dahin problemlos läuft. Später soll die Anlagentechnik dann auch exportiert werden – schließlich hält Choren das Patent für das Carbo-V-Verfahren und baut die entsprechenden Anlagenteile selbst. Nur die Großtechnik bezieht das Unternehmen von externen Maschinenbaufirmen.

„Das Potenzial für BTL ist enorm“, sagt Rudloff. „Viel höher als bei herkömmlichem Biodiesel.“ Tatsächlich hat BTL zahlreiche Vorteile. Zwar ist auch Bio nicht immer vollkommen rein – so fallen bei der Produktion und später im Motor geringe Mengen Schadstoffe an, zum Beispiel teerhaltige Gase. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Dieselmotor sind diese Emissionen jedoch um 30 bis 50 Prozent geringer.

Und die CO2-Bilanz ist sogar gleich null: Denn beim Verbrennen wird nur so viel des Klimagases ausgestoßen, wie die Pflanzen zuvor aus der Luft aufgenommen haben. Ein weiteres Argument für BTL: Es kann ohne Umstellung in jeden Diesel-Motor eingefüllt werden – am besten in einem Mischverhältnis mit normalem Diesel von 20 bis 50 Prozent. Bei Autokonzernen heißt es, die Qualität von SunDiesel sei „hervorragend“. Außerdem könne das bestehende Tankstellennetz problemlos auch mit BTL betrieben werden.

Allerdings: Beim Preis kann BTL noch nicht mithalten. Das räumt auch Rudloff ein: „Derzeit sind wir zehn bis 15 Prozent teurer als Biodiesel.“ Konkret bedeutet dies Kosten von rund 80 Cent je Liter. Zum Vergleich: Ein Liter Diesel aus Mineralöl würde ohne Steuern rund 40 Cent kosten. „Wir brauchen unbedingt weiter die Steuerfreiheit“, sagt Rudloff. „Sonst ist BTL in Deutschland eine schöne Geschichte gewesen.“

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