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Wirtschaft: Ein Platz am Kamin

Man kann zwar mit einem Design-Blasebalg Wind machen – doch der Kenner genießt das Feuer in Ruhe

Gespräche, heißt es, gleiten unvermeidlich ins Vertrauliche vor einem Kamin. Man glaubt, an irgend etwas Wesentliches erinnert zu werden, nur weil man vor einer offenen Feuerstelle sitzt. Es macht nichts, dass man vorne glüht, und hinten romantisch auskühlt. Anscheinend gibt es niemanden, der Kamine nicht leiden kann. Und wenn die Menschen das Kaminstudio in Charlottenburg betreten, in dem Steffi Rausch seit Jahren arbeitet, dann sprechen sie von Lebensträumen.

Tatsächlich handle es sich hauptsächlich um ein optisches Vergnügen, sagt Steffi Rausch, „zum Heizen wird ein Kamin wirklich selten benutzt.“ Etwa 80 Prozent der Heizkraft verflüchtigen sich nämlich durch den Schornstein. Und offene Kamine dürfen nach der Kleinfeuerungsanlagen-Verordnung nur gelegentlich betrieben werden.

Neuere Materialien und zeitgenössisches Design verhüllen ganz gut, dass es sich um eine Rückkehr zum Archaischen handelt. Da zuckt das gezähmte Element in EdelstahlBrennwannen und hinter hohen Glastüren, die das Feuer bis zur Spitze zeigen. Ein Kamin ist zu mehr als zwei Dritteln mit Glas umbaut. Und es gibt Gestalter, die für den Entwurf von Kaminbesteck, Zangen und Schürhaken Designpreise von heute gewinnen. Die findet man bei dem westfälischen Unternehmen Conmoto ( www.conmoto-shop.de ), das sich auf Produkte ums Feuer spezialisiert hat. Da lagern die Scheite auf gebogenem Metall und brennen auf einem gestalteten Feuerbock ab. Man kann mit einem hübschen Haken stilsicher das Feuer schüren und mit einem Design-Blasebalg jede Menge Wind machen.

Trotzdem ist nicht alles Euphorie. „Die letzten drei Jahre waren ganz miserabel, erst im letzten Jahr hat es wieder etwas angezogen“, sagt Steffi Rausch. Die Leute träumten zwar nach wie vor vom Feuer, aber nicht vor dem Feuer, denn nicht alle haben gleich Geld dafür. Wenn sie ein Haus bauen, kommen sie zu ihr und erkundigen sich, wie groß der Schornstein sein muss und wie der Boden beschaffen sein soll. Dann kommen sie wieder, nach ein paar Jahren, wenn sie Geld haben. Sie haben festen Estrich verlegt und keinen schwimmenden, sie haben die Stelle für den Kamin in der Fußbodenheizung ausgespart und meistens auch noch die Wand isoliert. 20 Zentimeter um die Kaminwände darf sich nichts Brennbares befinden. Bei Leuten, die schon einen Schornstein im Haus haben, hat der Schornsteinfeger das letzte Wort. Je größer die Leistung des Kamins, desto größer muss auch der Durchmesser des Schornsteins sein. Mindestens zweimal im Jahr gereinigt werden muss er ohnehin. Diese strengen Verordnungen werden der Grund dafür sein, dass es in Deutschland weniger Kaminbrände gibt als zum Beispiel in Frankreich. Mieter müssen die Erlaubnis ihrer Hausverwaltung einholen. Einfacher ist es für sie meistens, sich einen Ofen einbauen zu lassen, der im Gegensatz zu einer offenen Feuerstelle geschlossen im Raum steht. Das Ofenrohr lässt sich oft an vorhandene Kamine anschließen. Das Feuer knistert dann hinter Glastüren. Die Anbieter liefern die Modelle auch mit einem Fach, in dem Bratäpfel gar werden. „Einen Kunden haben wir, der bäckt sein Brot darin“, erzählt Rausch.

Meisterbetriebe bauen vor allem individuelle Kamine. 5000 Euro braucht man dafür mindestens. Gebaut werden viele Kamine inzwischen nicht mehr mit den klassischen Schamottesteinen, sondern mit Vermikulite, einem Material aus der Raumfahrt. Das hat weniger Gewicht und ist leichter zu bearbeiten. Und außerdem lässt sich das Material einfach sägen. In letzter Zeit lassen sich die Menschen vor allem wieder Kachelöfen bauen, hat Rausch festgestellt. Und gerade junge Frauen suchten sich ganz schlichte Kamine aus – nur ein verputzter Vorbau und darin das Feuer. Vielleicht noch ein paar Wärmeplatten, an die man sich anlehnen kann. „Meistens ist es ja so, dass die Männer das bezahlen. Und die Frauen suchen aus,“ sagt Rausch. So weit zur Rückkehr zum Archaischen.

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