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Wirtschaft: Ein überzeugter Marktwirtschaftler mit Weitblick

Jürgen Heraeus nennt die Dinge beim Namen / Der Chef des Hanauer Edelmetall-Konzerns könnte der nächste BDI-Chef seinVON KLAUS-DIETER OEHLER FRANKFURT (MAIN).Wenn der Hanauer Familienunternehmer auf den Standort Deutschland angesprochen wird, fallen ihm gleich reihenweise Argumente ein.

Jürgen Heraeus nennt die Dinge beim Namen / Der Chef des Hanauer Edelmetall-Konzerns könnte der nächste BDI-Chef seinVON KLAUS-DIETER OEHLER FRANKFURT (MAIN).Wenn der Hanauer Familienunternehmer auf den Standort Deutschland angesprochen wird, fallen ihm gleich reihenweise Argumente ein.Schon in der Volksschule (wie er sie gern noch nennt) würde nichts mehr auf das Leistungsprinzip gegeben.Das setze sich dann in der "Massenproduktion von Abiturienten" und an den überfüllten Hochschulen fort."Kein Wunder, daß wir permanent an Wettbewerbsvorteilen gegenüber den asiatischen Ländern verlieren", schimpft der Chef des Hanauer Edelmetallkonzerns (Umsatz rund sieben Mrd.DM) bei jeder sich bietenden Gelegenheit.Und es ist für ihn auch kein Wunder, daß die deutschen Unternehmer nicht so innovativ sind wie dies nötig wäre.Zwei Gründe seien dafür ausschlaggebend: Das "Symptom der Sattheit" und die einseitig auf Kostenreduzierung gerichteten Unternehmensstrategien.Natürlich läßt er auch die politischen Rahmenbedingungen nicht außen vor.Die Genehmigungsverfahren seien zu langwierig, das Kartellamt verhindere auch notwendige Zusammenschlüsse kleinerer Unternehmen, und das Lohnniveau sei absurd hoch.Wenn Heraeus auf die Tarifpolitik zu sprechen kommt, kehrt er zum Leistungsprinzip zurück.Deutschland hänge noch zu sehr am "Ideal der Gleichheit".Doch in der Gesellschaft seien Begabungen nun einmal unterschiedlich verteilt.Dies müsse sich in der Lohnstruktur widerspiegeln.Doch um die Voraussetzungen zu schaffen, seien Gewerkschaften und Unternehmerverbände zu verkrustet.So spricht einer, der in seinem Betrieb noch etwas zu sagen hat, der eine Mischung aus konservativem Unternehmer, überzeugtem Marktwirtschaftler und sozial engagiertem Bürger ist.Sein Urgroßvater gründete 1851 das Familienunternehmen, die "Erste Deutsche Platinschmelze".Sein Vater Reinhard war, wie der Sohn sagt, ein "Patron alter Prägung", der jeden Mitarbeiter im Betrieb persönlich kannte.Der 1936 geborene Heraeus hat sich im Unternehmen hochgearbeitet, hat den weitergefächerten Technologiekonzern im In- und Ausland hautnah kennengelernt.Nach dem Studium der Betriebswirtschaft und dem Abschluß als Dr.oec.publ.trat er 1964 in das Familienunternehmen ein.Sechs Jahre später rückte er in die Geschäftsleitung der W.C.Heraeus GmbH, der damaligen Führungsgesellschaft des Konzerns.1983 übernahm er schließlich den Vorsitz im Gesamtkonzern.Und da ist er am richtigen Platz - davon ist der selbstbewußte Jürgen Heraeus überzeugt.Wenn der 61jährige in den nächsten Jahren seinen Job aufgeben sollte, dann, so sagt er ganz nüchtern, wird wohl ein familienfremder Manager das Ruder übernehmen müssen.Zwar gibt es mehr als 140 Mitgesellschafter aus dem weiten Familienkreis, doch da findet sich keiner, der den hohen Ansprüchen des heutigen Chefs gerecht würde.Die jungen "sind noch nicht soweit", die älteren haben andere Berufe.Der Firmenchef teilt offenbar nicht gern - und so ist auch ein Börsengang für ihn noch kein Thema.Zwar hat das Milliardenunternehmen auch große Investitionen auf dem Programm, doch die könne man schon selbst finanzieren.Der "junge" Heraeus ist, genau genommen, ein Patron wie sein Vater.Auf Pressekonferenzen spricht nur einer, die übrigen Geschäftsführungsmitglieder sind meistens gar nicht anwesend.Und um für die nötige Ruhe im Betrieb zu sorgen, hat Heraeus auch gleich den Posten des Arbeitsdirektors für sich reserviert - entscheiden muß sowieso der Chef.So wie vor zwei Jahren, als einer seiner Manager ihm vorwarf, daß es in Ostdeutschland "Brei regne, wir aber zu kleine Löffel hätten".Umgehend beschloß Heraeus, ohne große Studien, die Kapazitäten am Chemiestandort Bitterfeld auszubauen.Jetzt steht dort die modernste Fabrik für Quarzglasherstellung auf der Welt.So einer fällt auf, nicht nur wegen seiner modisch gekleideten Erscheinung mit wallendem Haar.Heraeus scheut sich nicht, Dinge beim Namen zu nennen - vielleicht ein Grund, weshalb er in jüngster Zeit immer öfter als neuer Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und Nachfolger Hans-Olaf Henkels gehandelt wird.Obwohl seine Handlungsweise oft ungewöhnlich ist, gibt der Erfolg ihm recht.Denn konservativ heißt für ihn nicht rückständig.Heraeus schaut weit nach vorn.Obwohl er wegen des "unberechenbaren kommunistischen Regimes" ein Engagement in China für riskant hält, zählt sein Konzern zu den aktivsten deutschen Investoren im Reich der Mitte.Heraeus Rechnung: Der deutsche Leiter eines chinesischen Gemeinschaftsunternehmens mit 100 Mitarbeitern verdient soviel wie die anderen 99 Mitarbeiter zusammen.Solche Vorteile übersieht ein Jürgen Heraeus nicht.

KLAUS-DIETER OEHLER

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