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Wirtschaft: Eine Aura von Patriotismus

Für US-Unternehmen ist es das beste Marketing, ihre Produkte an den Soldaten zu bringen – aber die Vorschriften sind streng

Nichts fördert die Markentreue mehr als der tägliche Konsum des Produktes. Das spürte der US-Süßwarenhersteller Tootsie Roll Industries im Korea-Krieg. Die Präsidentin des Konzerns, Ellen Gordon, erzählt begeistert, wie Tootsie Rolls während eines Kampfes das einzig Essbare amerikanischer Soldaten war. Noch heute erhält sie Dankesbriefe von Veteranen. Camel-Zigaretten und M&M’s wurden im Zweiten Weltkrieg zur Währung von Soldaten. Und wer wusste, dass Coca-Colas großes Auslandsgeschäft aus patriotischen Ambitionen hervorging? Der Getränkekonzern versorgte amerikanische Soldaten in den 40er Jahren schnell und preiswert mit Cola.

Die Zeiten haben sich verändert. Für amerikanische Unternehmen ist es schwierig, ihr Produkt an den Soldaten zu bringen. Das US-Militär weist Sachspenden der Konzerne zurück. Der Grund: Lagerengpässe und Sicherheitsbedenken. Der Verkauf von Lebensmittel ans Militär ist für Unternehmen kniffelig – selbst, wenn die Soldaten ihre Produkte unbedingt haben wollen. Das Militär unterliegt rigiden Vorschriften bei der Beschaffung. Es muss seine Aufträge an den besten Anbieter vergeben. Und wer das ist, entscheidet eine Reihe von Kriterien – der Preis ist nur eines davon.

Die strengen Beschaffungsvorschriften führen zu eigenartigen Sprach-Blüten. „Wir können nicht sagen, dass wir M&M’s wollen", sagt Gerry Darsch. Er leitet beim US-Verteidigungsministerium die Lebensmittelversorgung bei Feldeinsätzen. Stattdessen muss Darsch ein Ausschreiben für „pan-coated chocolate disks", also „dragierte Schokoplättchen" machen. Dragiert ist die branchenübliche Bezeichnung für Zucker, der im Mund schmilzt. Statt Jolly Ranchers verkauft das US-Unternehmen Hershey Foods an die Soldaten „hard candy fruit tablets". Tootsie Rolls sind „toffee rolls, chocolate-flavoured" und Combos heißen „zylindrische Brezeln mit Käsefüllung". Das US-Verteidigungsministerium kauft für die Soldaten am liebsten Markenprodukte ein. „Es ist ein kleines Stück Heimat", sagt Darsch.

Sicher ist eine Marke beim Feldzug dabei, wenn sie den Weg in das Fertiggericht der Soldaten – das so genannte Meal Ready-to-Eat (MRE) – gefunden hat. Die in Plastik verpackten Lebensmittelpakete essen US-Soldaten auf Einsätzen. Die Produkte müssen allerdings Tests bestehen, bevor sie Bestandteil des MRE werden. Ein Produkt muss einen 30-Meter-Fall überstehen, großem Druck standhalten und extreme Hitze und Kälte aushalten. Wenn das Lebensmittel bei den Tests durchfällt, kann der Hersteller immer noch den Weg über Hilfsorganisationen wie das amerikanische Rote Kreuz einschlagen, das Lebensmittel an Soldaten verteilt. Das ist allerdings auch kein sicherer Weg. Das Rote Kreuz lehne Spenden ab, wenn Lagerraum fehle oder man nicht sicher sei, dass man die Ware wirklich gebrauchen könne, heißt es bei der Organisation. Kürzlich hat sie eine Babytücher-Spende von Procter&Gamble (P&G) wegen der zu großen Verpackung zurückgewiesen.

Das dürfte manchen amerikanischen Soldaten enttäuschen. Zwar sind die Männer mit den neuesten Geräten ausgerüstet. Doch kaum ein Produkt ist bei Soldaten beliebter als die feuchten Babytücher – zumindest bei den Männern, die in der kuwaitischen Wüste stationiert sind. Der Grund: Die Tücher eignen sich gut als Erfrischung für Gesicht und Achselhöhlen. Kein Produkt vermissen die Amerikaner in einem US-Geschäft in Kuwait dringlicher als Babytücher, sagen Soldaten und Ladenangestellte. Der Vorrat sei stark geschrumpft, seit eine größere Panzereinheit zu einem anderen Camp abgezogen sei, sagt ein Angestellter des Geschäftes, das übergangsweise in einem kuwaitischen US-Camp eingerichtet wurde.

Die Belieferung des Militärs mag manchmal anstrengend sein, aber sie verleiht einer Marke eine Aura von Patriotismus und Geschichte. „Das gehört zu ihrer Legendenbildung", sagt Hayes Roth, Vizepräsident des Consultingunternehmens Landor, einer Tochter der britischen WPP Group. „Egal, ob man für oder gegen den Krieg ist, jeder will gerne mit der Truppe und dem Gewinner in Zusammenhang gebracht werden".

Den Weg zu den Soldaten hat Walt Disney geschafft. Der Unterhaltungskonzern hat dem US-Militär, das in Kuwait stationiert ist, Videos wie „Pearl Harbor" gespendet. Burger King und der US-Sportkanal ESPN versorgen die Soldaten mit Sportzeitschriften. Und bald dürfte Colgate-Palmolive mit Zahnpasta, Eastern States Eyewear mit Brillen und Conagra Foods mit Popcorn dabei sein.

Markenprodukte sind ein großes Gesprächsthema für Soldaten, die im Ausland leben. Vor allem die Lebensmittel in den MRE. „Essen ist wahrscheinlich der größte gemeinsame Nenner", sagt Darsch. „300 Soldaten werden kaum über die Technik einer Cruise Missile reden. Über das Essen können sie sich aber stundenlang unterhalten."

Übersetzt und gekürzt von Tina Specht (Truppenversorgung), Karen Wientgen (Markenprodukte), Matthias Petermann (Monti), Christian Frobenius (Korea) und Svenja Weidenfeld (China).

Sarah Ellison

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