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Irrfahrt? Der Konflikt dreht sich vor allem um die Mitarbeiter auf dem Vorfeld. Jetzt schalten sich die Fluglotsen ein, und das ist rechtlich umstritten. Foto: dapd

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Wirtschaft: Eine Frage der Solidarität

Der Tarifkonflikt auf dem Frankfurter Flughafen landet wegen der Einmischung der Fluglotsen vor Gericht.

Berlin - Wie weit reicht das Streikrecht? Ist es in Ordnung, wenn zehn Fluglotsen 400 Flüge verhindern und etwa 7000 Personen blockieren? Ja. Es ist juristisch unstrittig, dass ein Streik wehtun darf, also Schaden anrichtet. Das ist der Sinn der Sache. Und dabei ist die Höhe des Schadens nicht unbedingt relevant, auch nicht die Höhe der Forderung, die zum Arbeitskampf geführt hat. Dennoch versuchen Fraport und Lufthansa vor dem Arbeitsgericht ein Verbot des Streiks der Gewerkschaft der Flugsicherung zu erreichen. Das wird schwer genug, denn ein Arbeitskampf ist nur verboten, wenn er zur Vernichtung des Gegners führen kann. In diesem Fall greift das Vernichtungsargument nicht, obwohl Fraport und Lufthansa bereits Millionenverluste erleiden mussten.

Auch größere Schäden für die breite Öffentlichkeit, ebenfalls ein möglicher Grund für das Verbot eines Arbeitskampfes, sind nicht zu konstatieren. Das waren sie selbst vor einigen Jahren nicht, als die Lokführergesellschaft GdL mit ihrem Streik viel mehr Menschen in Mitleidenschaft zog als jetzt die GdF. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Die grundgesetzliche Koalitionsfreiheit und das Streikrecht sind hohe Güter für die Arbeitsgerichte.

Trotzdem versuchen es Fraport und Lufthansa vor Gericht: „Es kann nicht sein, dass die Deutsche Flugsicherung, die ein zu 100 Prozent im Bundesbesitz befindliches Unternehmen ist und ein vom Staat garantiertes Monopol ausübt, von der GdF in einen privatrechtlichen Tarifstreit hineingezogen wird“, argumentiert Fraport-Arbeitsdirektor Herbert Mai. Wegen der „zunehmenden Unverhältnismäßigkeit des Ausstands“ habe man juristische Schritte eingeleitet. Nebenbei: Mai kennt beide Seiten des Tarifgeschäfts. Er war Vorsitzender der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (ÖTV), bevor die in Verdi aufging.

Der Fraport-Vorstand beantragte am Dienstag gleich zwei einstweilige Verfügungen vor dem Arbeitsgericht. Die erste richtet sich gegen den Solidaritätsstreik der Lotsen und sollte noch am Dienstagabend entschieden werden, die zweite gegen den Arbeitskampf der GdF insgesamt; darüber wollten die Richter am Mittwochvormittag entscheiden.

Vor knapp zwei Wochen hatte die Gewerkschaft erstmals ihre 200 Mitarbeiter auf dem Vorfeld für eine Einkommenserhöhung um bis zu 70 Prozent streiken lassen. Zwischenzeitlich wurde wieder verhandelt, doch als das ergebnislos blieb, rief die GdF erneut zum Streik. Bis mindestens kommenden Donnerstag soll der Ausstand nach der bisherigen Planung dauern. Da indes Fraport mit dem Einsatz von Streikbrechern rund 80 Prozent des Flugbetriebs aufrechterhalten konnte, sah sich die GdF am Dienstag veranlasst, ein paar Fluglotsen um Hilfe zu bitten. Mithilfe des Solidaritätsstreiks der Lotsen soll die Kompromissbereitschaft der Arbeitgeber gefördert werden.

Solidaritätsstreiks sind zulässig, wenn es eine enge Verbindung gibt zwischen den streikenden Unternehmen. Das ist hier vermutlich gegeben. Ferner darf die Zahl der solidarischen Kollegen nicht die Zahl der ursprünglich Streikenden übersteigen. Zehn Fluglotsen sind weniger als 200 Vorfeldmitarbeiter, der Streik wäre also erlaubt. Einen Ansatzpunkt finden Fraport und Lufthansa aber womöglich beim streikbedingten Schaden. Es gibt auch in Gewerkschaftskreisen die Rechtsauffassung, dass der durch den Solidaritätsstreik ausgelöste Schaden nicht größer sein darf als der Schaden des eigentlichen Arbeitskampfes. In Frankfurt sind aber die zehn Fluglotsen deutlich „schädlicher“ als die 200 Vorfeldbeschäftigten. Also wäre der Soldaritätsstreik verboten.

Das Arbeitsgericht wird entscheiden – mehr aber auch nicht. Nach dem Urteil geht die Suche weiter nach einem Tarifkompromiss zwischen der GdF und Fraport.

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