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Wirtschaft: Eine Frage des Überlebens

Flexible Arbeitszeiten und Teilzeitangebote für Mütter und Väter sind unverzichtbar, um die richtigen Arbeitskräfte zu bekommen

Berlin - Die Unternehmen werden künftig noch viel stärker als bislang auf die privaten Bedürfnisse ihrer Beschäftigten eingehen müssen. „Deutsche Firmen sind dazu verdammt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, wenn sie ihre Wirtschaftskraft erhalten wollen“, sagte Sascha Gechter, Partner der Personalberatung Kienbaum, dem Tagesspiegel. Der Experte spricht sogar von einer „Frage des Überlebens“.

Um ein familienfreundliches Klima zu fördern, hat die Bundesregierung bereits zum zweiten Mal den Unternehmenswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie 2005“ gestartet. Daran haben 366 Unternehmen aus dem ganzen Bundesgebiet teilgenommen, 35 sind in die engere Wahl gekommen. An diesem Dienstag werden Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesfamilienministerin Renate Schmidt die Sieger auszeichnen. Die Preisträger erhalten jeweils 10000 Euro.

Es sind vor allem zwei gegenläufige Trends, die Deutschlands Unternehmen dazu zwingen, familienfreundlicher zu werden: Auf der einen Seite verändert sich die Struktur der angebotenen Jobs. „Die Nachfrage nach hochqualifizierten Mitarbeitern steigt“, sagt Personalberater Gechter. Während im Jahre 1995 nur 35 Prozent der Jobs hier zu Lande eine hohe Qualifikation verlangten, werden es nach Prognosen im Jahr 2010 bereits 41 Prozent der Stellen sein. „Gleichzeitig aber nimmt das Angebot an hochqualifizierten Mitarbeitern ab“, sagt Gechter. „Die Akademiker in Deutschland bekommen im europäischen Vergleich besonders wenig Nachwuchs.“ Studien belegten jedoch, dass junge Akademiker auch heute noch vorwiegend aus Akademikerfamilien kommen.

„Vor allem Frauen sehen große Schwierigkeiten, Familie und Karriere zu vereinbaren.“ Dabei gehe es in erster Linie nicht um finanzielle Anreize, sondern um Zeit. Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitangebote und Jobsharing gehören daher bei den Unternehmen, die es beim Wettbewerb „Erfolgsfaktor Familie“ in die letzte Runde geschafft haben, zum Angebot für die Mitarbeiter. Für viele Unternehmen ist vor allem eines wichtig: dass junge Mütter möglichst schnell wieder in den Betrieb zurückkehren. Denn verlassen sie für lange Zeit das Unternehmen, gehen zum einen die Qualifikationen verloren. Zum anderen kann je nach Branche und Unternehmensgröße die Rekrutierung eines neuen Mitarbeiters nach einer Studie von Prognos zwischen 3000 und 180000 Euro kosten.

Dabei sind es keinesfalls nur Betriebe, in denen die Frauen in der Überzahl sind, für die sich Investitionen in familienfreundliche Strukturen und Instrumente lohnt. Bei der Metalltechnik und Stahl- baufirma Schönberger in der Oberpfalz zum Beispiel sind 78 Prozent der Belegschaft Männer. „Wir wollen, dass auch die Männer aktiv am Familienleben teilnehmen“, sagte Geschäftsführerin Sabine Schönberger dem Tagesspiegel. So befreit das Unternehmen werdende Väter in den letzten drei Monaten der Schwangerschaft von heimatfernen Montageeinsätzen. Kinder können mit an den Arbeitsplatz gebracht werden, wo es eine Betreuung gibt. Die Mitarbeiter bekommen bei der Suche nach einer Wohnung und einem Kindergartenplatz Unterstützung. An persönlichen Familienfesttagen werden sie freigestellt – und dennoch bezahlt.

Alle diese Leistungen betrachtet die Geschäftsführerin als „kleine Belohnung“. „Damit unseren Kunden keine Wartezeiten im Produktionsablauf oder auf den Baustellen entstehen, sind unsere Mitarbeiter im Rahmen unseres 24-Stunden-Service rund um die Uhr auch an den Wochenenden und Feiertagen abrufbereit“, sagt Schönberger.

Das einzige Unternehmen aus Berlin/Brandenburg, das es bis in die Endrunde im Wettbewerb gebracht hat, ist der Immobiliendienstleister DKB Immobilien in Potsdam. Flexible Arbeitszeiten und Heimarbeitsplätze haben auch hier für eine bessere Motivation der Mitarbeiter gesorgt. „Die Krankenstandsquote liegt unter einem Prozent“, sagt ein Sprecher. Zudem bekommen die Kinder der Beschäftigten einen garantierten Kindergartenplatz, die Kosten werden zu 50 Prozent erstattet. In Euro und Cent messen lasse sich der Erfolg der Maßnahmen nicht, sagt der Sprecher. „Aber die Firma gewinnt an Image – bei den eigenen und den potenziellen Mitarbeitern.“

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