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Wirtschaft: Eine ganze Branche spielt Monopoly

Konzentrationsprozeß in der Spielwarenindustrie führt zu Übernahmen / Messe in Nürnberg NÜRNBERG (tmh).Wenn in Nürnberg die 49.

Konzentrationsprozeß in der Spielwarenindustrie führt zu Übernahmen / Messe in Nürnberg NÜRNBERG (tmh).Wenn in Nürnberg die 49.Internationale Spielwarenmesse am Donnerstag für eine Woche ihre Pforten öffnet, ist für manche das Spiel schon lange vorbei.Getroffen hat es jüngster Zeit einige von denen, die sich mit Zocken und Taktieren eigentlich besonders gut auskennen sollten, die Hersteller von Gesellschaftsspielen.Im Zuge von Konkursen und Übernahmen spielen sie derzeit auf ihre Weise eine Art Monopoly.Noch ist die Partie wohl nicht beendet."Der Druck bleibt," meint etwa der Vorstand der Ravensburger AG, Erhard Pohle, zu den Konzentrationstendenzen.Der Manager bezweifelt, daß die Strukur der Branche in fünf Jahren noch die gleiche wie heute sein wird. Zu ihrer Veränderung hat auch Ravensburger beigetragen.Ende 1996 übernahm die Marke mit dem blauen Dreieck die Traditionsfirma F.X.Schmid.Dann ging die Altenburger und Stralsunder Spielkarten-Fabriken AG (Ass) als älteste Aktiengesellschaft Deutschlands in Konkurs.Kurz darauf traf dieses Schicksal auch die Nummer drei der Branche, Schmidt Spiel Freizeit GmbH. Seit 1995 sank die Zahl der in der Branche beschäftigten Mitarbeiter um drei Prozent auf rund 16 500 Personen.Vorläufiger Schlußpunkt war die Übernahme der Fürther Klee-Spiele GmbH durch den Stuttgarter Kosmos-Verlag.Klee ging als Schmidt-Tochtergesellschaft aus deren Konkurs hervor.Schmidt selbst landete wie Ass bei der Berliner Blatz-Gruppe.Deren Geschäftsführer Axel Kaldenhoven sieht optimistisch in die Zukunft.Zwar spekuliere die Branche über weitere Wackelkandidaten für Übernahmen oder Zusammenschlüsse.Auch im Zeitalter des virtuellen Haustiers Tamagotchi sei das Brettspiel aber nicht der vom Aussterben bedrohte Dinosaurier unter den Freizeitbeschäftigungen. Verlässliche Nachfrage aufgrund einer hierzulande einzigartigen Spielekultur sichere deutschen Herstellern einen Heimatmarkt, schwärmt Kaldenhoven.Auch der Rückgang der Branchenumsätze seit 1994 von 850 auf 770 Mill.DM habe die Anzahl verkaufter Spiele nicht schrumpfen lassen.Der Blatz-Gruppe, hinter der der Berliner Unternehmer Karl Blatz steht, beschere die deutsche "Spielemanie" 1998 einen Umsatz von 120 Mill.DM.Damit ist sie als Sieger aus der jüngsten Übernahmewelle hervorgegangen und zur Nummer drei der Branche geworden. Die rund eine halbe Mrd.DM erlösenden Ravensburger, mit dem US-Konzern Hasbro (Marken Parker und MB) zusammen in etwa Kopf an Kopf Marktführer, schätzen die Lage der Spielehersteller weit vorsichtiger ein.Pohle sieht den traditionellen Spieltrieb eher auf dem Rückzug.Familien gebe es immer weniger, Single-Haushalte nähmen zu, und allein spiele es sich schlecht.Binnen zehn Jahren habe das Gesellschaftsspiel Umfragen zufolge bei den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen von 15 auf elf Prozent Anteil eingebüßt.Ferner zwinge die Konzentration im Handel zur Konzentration der Hersteller.Dazu komme der negative Konjunktureffekt. Der scheint zumindest am Spielbrett mittlerweile gestoppt.Nach schrumpfenden Branchenumsätzen 1995 und 1996 sei es vergangenes Jahr nach einem hervorragenden Weihnachtsgeschäft mit gut 770 Mill.DM Jahresumsatz wieder leicht aufwärts gegangen, schätzt die Fachgruppe Spiel, in der alle führenden Spielehersteller organisiert sind. Wenn der Fachgruppenvorsitzende Ernst Pohle die Trendwende erklärt, widerspricht er seinem Namensvetter bei Ravensburger.Wirtschaftlicher Frust führe zu sogenanntem "Cocooning", meint er.Die genervten Deutschen ziehen sich demnach in die eigenen vier Wände zurück und greifen zu preisgünstigen Vergnügen wie Spielen.Auch zu Singles hat Ernst Pohle eine eigene Meinung.Weil die meist im idealen Brettspielalter seien und es sich allein nicht nur schlecht spielt, sondern auch schlecht lebt, repräsentierten die über 30 Prozent Single-Haushalte Deutschlands eine vielversprechende Kundschaft. Von der zunehmenden Computerisierung erwartet Pohle weniger Gefahren sondern sogar langfristig positive Impulse."Wer tagsüber am Bildschirm sitzt, will nicht in der Freizeit weiter vor dem Monitor vereinsamen oder mit Keyboard und Maus kommunizieren," hofft er und sieht einen Trend zu preisgünstigen Zwei-Personen- und Kartenspielen.Dem Konzentrationsprozeß der Branche sei "ziemlich abgeschlossen." Ass und Schmidt sind für Pohle reine Einzelschicksale und kein Indiz für die Lage der Branche.Die bringe auch Aufsteiger wie Blatz oder Kosmos hervor.

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