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Wirtschaft: Eine musikalische Verführung

Sie ist zurückhaltend und weicht einem doch nicht von der Seite. Sie ist kaum wahrnehmbar und doch erzeugt sie Wohlgefühl.

Sie ist zurückhaltend und weicht einem doch nicht von der Seite. Sie ist kaum wahrnehmbar und doch erzeugt sie Wohlgefühl. Sie klingt immer anders und doch erfüllt sie immer den selben Zweck. Die Rede ist von Kaufhausmusik, von Melodien, die zum Konsum verführen sollen.

Den Gedanken durch Hintergrundmusik eine Atmosphäre zu schaffen, die das menschliche Verhalten beeinflusst, perfektionierte ein amerikanischer General zu Beginn des 20. Jahrhunderts: George Owen Squier gründete 1922 die Firma Wired Radio. Für einen Dollar 50 im Monat lieferte das Unternehmen aus Cleveland Musikprogramme über Drahtleitungen in Hotels und Fabriken. Durch die Musikbeschallung sollte die Produktivität der Arbeiter gesteigert werden. Kurz vor seinem Tod gab Squier dem Unternehmen dann einen neuen Namen - Muzak. Die typische Musik aus dem Hause Muzak folgte einem immer gleichen Muster: Bekannte Musiktitel wurden neu arrangiert, so dass eine genaue Identifizierung nicht mehr möglich war. Durch den Bekanntheitsgrad war eine positive Zuwendung des Hörers garantiert, gleichzeitig verhinderte die Neuabmischung eine zu starke Konzentration auf den Titel. Auf Sologesang wurde gänzlich verzichtet, Frequenzen über 8000 Herz beschnitten und das Tempo dem menschlichen Pulsschlag angepasst.

Muzak gilt noch heute weltweit als Synonym für Hintergrundmusik, auch wenn sich Produkt und Kundschaft im Laufe der Jahrzehnte verändert haben. "Die ursprüngliche, instrumentale Musik macht nur noch einen geringen Teil unseres Angebotes aus", sagt Fritz Tiemann, Pressesprecher von Muzak Deutschland. Insgesamt acht unterschiedliche Musikkanäle hat das Unternehmen mittlerweile zu bieten, von Jazz über Hip Hop bis hin zu französischen Chansons. Beschallt werden auch nicht mehr Fabrikhallen, sondern Kaufhäuser, Boutiquen und Bahnhöfe. Via Sattelit liefert Muzak seinen 250 000 Kunden täglich ein individuelles und neu zusammengestelltes Programm, das von DJs und Musikwissenschaftlern produziert wird. Und die bearbeiten die Musikstücke immer noch nach den Grundprinzipien, die General Squier für Muzak aufgestellt hatte: Starke Höhen und Tiefen werden angepasst, ein bestimmte Geschwindigkeit darf weder über- noch unterschritten werden und die Reihenfolge der Musikstücke richtet sich nach dem menschlichen Biorhythmus. Etwa 150 Mark im Monat zahlen Muzak-Kunden für die melodiöse Untermalung ihrer Verkaufsräume. "Die Musik schafft eine angenehme Atmosphäre und ist gleichzeitig so dezent, dass sie den Käufer nicht vom eigentlichen Zweck seines Besuches ablenkt", erklärt Tiemann.

Ein warmes und freundliches Ambiente möchte beispielsweise die Bekleidungskette C & A ihren Kunden bieten. Und dazu gehöre auch eine professionelle Hintergrundbeschallung", sagt Unternehmenssprecher Thorsten Rolfes. Deshalb stellt bei C & A seit 1998 die Firma Muzak das Musikprogramm zusammen. Vormittags läuft klassische Insturmentalmusik. "Um diese Zeit besuchen hauptsächlich Hausfrauen unsere Geschäft", erklärt Rolfes. Da sei ruhige Musik genau das richtige, zumal in den Morgenstunden die biorhythmische Kurve ihren höchsten Punkt erreiche. Die Leute seien fit und müssten nicht durch flotte Musik in Schwung gebracht werden. Ab 14 Uhr wechselt das Programm: Der Musikkanal "Middle of the Road" wird eingespielt. Evergreens sowie Hits aus den 80-er und 90-er Jahren tönen dann aus den Lautsprechern. Denn Nachmittags tummelt sich in den C & A-Filialen ein bunt gemischtes Publikum. Und auch der menschliche Leistungskurve fällt rapide ab, so dass die Musik die träge Käuferschicht anspornen soll. Zum Ausklang gibt es Abends Jazz und Dance - Melodien mit Maß. nicht zu langsam und nicht zu schnell. An eine direkte Beeinflussung des Kaufverhaltens durch Musik glaubt Thorsten Rolfes nicht. Aber die richtige Musik zum richtigen Zeitpunkt schaffe eine positive Atmosphäre. Und wenn der Kunde sich wohl fühlt, bleibt er länger. Und wer länger an den Regalen und Kleiderständern vorbeischlendert, hat auch mehr Zeit zum Geld ausgeben.

Kaufhausketten messen den Verführungskünsten musikalischer Klänge wenig Bedeutung bei. "Wir haben schon vor Jahren ein einheitliches Musikkonzept abgeschafft", sagt Karstadt-Sprecher Elmar Kratz.

dro

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