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Wirtschaft: Eine Panne nach der anderen

FRANKFURT (MAIN) (ro).Der dritte Unfall innerhalb von 25 Stunden verlief glimpflich: Beim Zusammenstoß von zwei Güterzügen wurden am Dienstagabend zwei Lokführer leicht verletzt.

FRANKFURT (MAIN) (ro).Der dritte Unfall innerhalb von 25 Stunden verlief glimpflich: Beim Zusammenstoß von zwei Güterzügen wurden am Dienstagabend zwei Lokführer leicht verletzt.Ursache für das Unglück, bei dem beide Loks mit zwei Achsen aus den Gleisen sprangen und sechs Waggons entgleisten, war angeblich menschliches Versagen.Ein Lokführer habe ein Haltesignal nicht beachtet, teilte der Bundesgrenzschutz mit.Der Güterverkehr war nach dem Unfall erheblich behindert.Sprecher der Bahn, aber auch des Eisenbahnbundesamtes und der Gewerkschaft der Eisenbahner (GdED) waren am Mittwoch bemüht, keine Zweifel an der Sicherheit des Zugverkehrs aufkommen zu lassen."Es stimmt nach wie vor, daß die Bahn das sicherste Verkehrsmittel ist", sagte Bahn-Sprecher Stephan Heimbach.Die öffentliche Wahrnehmung der Unfälle habe sich aber seit der Katastrophe von Eschede verändert."Grundsätzlich sind wir nicht beunruhigt", meinte auch Mark Wille, Sprecher der Eisenbahnbundesamtes.Es gebe keine signifikante Zunahme der Unfälle, das Sicherheitskonzept der Bahn stehe nicht in Zweifel.Bei täglich 35 000 eingesetzten Zügen könne man Pannen nicht ausschließen.Auch Hubert Kummer, Sprecher der GdED läßt auf die Sicherheit der Bahn nichts kommen: Mit deutlichem Abstand vor Auto und Flugzeug sei sie das sicherste Verkehrsmittel.Was auf Autobahnen an einem Tag passierte, ereigne sich bei der Bahn nicht einmal in einem Monat.

Die Bahn selbst verweist immer wieder darauf, daß die Zahl der Unfälle nicht steige, sondern seit Jahren kontinuierlich sinke.Habe es 1994 noch 0,020 Unfälle pro eine Million Personenkilometer gegeben, so sei diese Quote von 0,015 im Jahr 1996 auf 0,012 im vergangenen Jahr zurückgegangen.Bei diesen Zahlen sind allerdings Unfälle an Bahnübergängen nicht berücksichtigt.Gleichwohl ist die Bahn auch in diesem Jahr schon wieder von einer ganzen Serie von Unfällen getroffen worden: Am 7.Januar verunglückt ein Güterzug im niedersächsischen Seelze, am 14.Januar entgleist der Regionalexpreß Minden-Bielefeld, weil an einem Doppelstockwagen eine Radscheibe bricht.Am 19.Januar entgleist der ICE 751 im Hauptbahnhof Hannover.Ursache: Eine defekte Weiche.Verletzt wird niemand.Am 4.Februar entgleist im hessischen Friedberg ein Güterzug, offenbar auch wegen eines Weichendefekts.Am 18.Februar springen in Immenstadt im Allgäu drei Waggons des Intercity 714 aus den Gleisen.Ein Interregio fährt auf, zwei Menschen sterben, 34 werden verletzt.Am 1.März entgleist in Darmstadt ein Güterzug, einen Tag später verunglückt ein mit Papier und Zellstoff beladener Güterwaggon in einem Tunnel der ICE-Strecke bei Göttingen und gerät in Brand.Und ebenfalls an diesem Tag kommt es zum jüngsten Unglück in Hannover.

Bislang macht sich offenbar nur der Fahrgast-Verband Pro Bahn wegen der Unfall-Serie Sorgen.Die Bahn müsse von ihren übertriebenen Einsparplänen, die am Ende zu Lasten der Sicherheit und Zuverlässigkeit gehen könnten, Abschied nehmen."Die Bahn sollte das als dringende Warnung verstehen, sich die Sicherheit stärker auf die Fahnen zu schreiben", meint Pro-Bahn-Sprecher Holger Jansen.Noch bleibe die Bahn das sicherste Verkehrsmittel, aber "was in den letzten Monaten passiert ist, ist eben ein bißchen viel." Nicht nur nach Ansicht von Pro Bahn muß jetzt mit dem übermäßigen Personalabbau Schluß sein.Der Druck auf die verbliebenen rund 250 000 Mitarbeiter sei hoch.Allein im vergangenen Jahr hat die Bahn rund 20 000 Stellen gestrichen, 1999 sollen es noch einmal 18 000 sein.Bei Lokführern, Fahrdienstleitern und Zugbegleitern gebe es schon Lücken in der Personaldecke, sagt GdED- Sprecher Kummer.Dies sei ein Grund für Verspätungen und die Unzuverlässigkeit mancher Züge.Auch bei der Ausbildung der Lokführer wird angeblich zuviel gespart.

"Die Bahn kehrt Probleme unter den Teppich"

Das Erscheinungsbild der Deutschen Bahn ist miserabel.Wie läßt sich das Image aufpolieren? Henrik Mortsiefer fragte Michael Schirner , Geschäftsführer der gleichnamigen Werbeagentur in Düsseldorf, die 1998 für den Wahlkampf-Auftritt der Grünen verantwortlich war.

TAGESSPIEGEL: Was fällt ihnen spontan beim Stichwort Deutsche Bahn ein?

SCHIRNER: Ich finde die Bahn toll.Sie ist bequem.Der Speisewagen ist mein verlängerter Schreibtisch.Sehr angenehm im Vergleich zum Auto oder dem Flugzeug.

TAGESSPIEGEL: Das Image ist trotzdem schlecht.Was machen die Marketingstrategen der Bahn falsch?

SCHIRNER: Die Kritik an der Bahn ist eine typische Reaktion auf Fehler eines Monopolisten.Das war bei der Telekom ähnlich.Es ist den Werbern nicht gelungen, das Bild der "Neuen Bahn", die auch über ihre Schwierigkeiten spricht, zu vermitteln.Die Probleme werden unter den Teppich gekehrt.

TAGESSPIEGEL: Wie bekommt die Bahn wieder positive Schlagzeilen?

SCHIRNER: Sie muß versuchen, in ihrer Werbung aktuell und sehr offen auf ihre Probleme zu reagieren.Und sie muß Reisenden stärker das Gefühl vermitteln, mit einem wunderbaren Verkehrsmittel unterwegs zu sein - Stichwort Speisewagen.

TAGESSPIEGEL: Von den Grünen lernen, heißt siegen lernen?

SCHIRNER: Beide haben in der Tat ähnliche Image-Probleme.Sie dürfen ihre internen Diskussionen nicht den Medien überlassen.

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