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Lohnende Kombination: Wer sich in den Ferien in Eigenregie weiterbilden will, kann auch einfach ein bisschen Fachlektüre mit an den Strand nehmen. Aber Vorsicht: Ob auch die CD-Rom mit dem Buchhaltungskurs mit ins Gepäck darf, sollte man sich gut überlegen. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Wirtschaft: Eine Reise zu neuen Horizonten

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Bildungsurlaub – sie müssen nur ein paar Regeln beachten.

Es war ein Urlaub, an den sie sich noch lange erinnern wird. Laura N., 31, wohnte für zwei Wochen in Bologna in einer Gastfamilie. Ihre Gastgeberin lud sie gleich am ersten Abend in eine Weinbar ein und erzählte von der Stadt. Die Tage waren bis zum Nachmittag gefüllt mit Sprachunterricht. Zweimal gab es außerdem einen Kochkurs, in dem Laura unter Anleitung ein italienisches Drei-Gänge-Menü zauberte, mit handgemachter, gefüllter Pasta. „Ich habe mich gar nicht wie eine Touristin gefühlt“, sagt sie. „Ich habe zwei Wochen lang richtig in Bologna gelebt.“ Zurück in die Arbeit kam sie erholt – und mit der frisch erworbenen Fähigkeit, ein einfaches Gespräch auf Italienisch zu führen.

In Zeiten von Burnout und Work-Life-Balance sollte man sich gut überlegen, ob man die Urlaubszeit tatsächlich für Weiterbildungen opfern möchte. Doch Laura N., die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, musste für ihren Sprachkurs, den sie Anfang des Jahres gemacht hat, noch nicht einmal Urlaubstage investieren: Sie hatte ihn bei ihrem Arbeitgeber als bezahlten Bildungsurlaub eingereicht. Den Tipp hatte sie von Kollegen bekommen. Umfragen zufolge wissen deutlich mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer nichts von ihrem Recht, Bildungsurlaub in Anspruch zu nehmen. Für Fortbildungen, die der beruflichen oder der politischen Weiterbildung dienen, können sie sich bis zu zehn Tage innerhalb von zwei Jahren freistellen lassen. Die Regelungen variieren je nach Bundesland.

Doch auch im Fall von Erholungsurlaub spricht nicht unbedingt etwas dagegen, ein bisschen Fachlektüre mit an den Strand zu nehmen oder hin und wieder ein paar Lektionen des EDV-Kurses auf dem Laptop durchzugehen. „Erholung stellt sich ja nicht automatisch ein, wenn man einige Tage nur am Strand liegt“, sagt Philipp Stahl, Berliner Coach und Mitarbeiter des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin. „Wichtig ist, sich zu fragen: Verfolge ich mit der Weiterbildung wirklich meine persönlichen Interessen?“ Studien ergeben, dass die Qualität eines Urlaubs wesentlich davon abhängt, ob man damit ein Ziel erreicht, das man sich vorgenommen hat. Solche Ziele können ganz unterschiedlich sein: Mit dem Fahrrad an die Ostsee fahren, endlich mehr Zeit mit der Familie verbringen – oder eben, sich weiterzubilden. Vorher sollte man sich daher unbedingt fragen, ob die Erwartungen, die man hat, wirklich realistisch sind, rät Philipp Stahl. Wer nicht alleine in den Urlaub fährt, sollte die eigenen Erwartungen unbedingt mit denen der Begleitung abstimmen.

Für Laura N. war klar, dass sie eine neue Sprache lernen wollte. Angekommen war sie in Bologna mit ein paar Brocken Italienischkenntnissen. Als die Frau aus der Gastfamilie im Lauf des Sprachurlaubs ihre Mutter einlud, sah das schon ganz anders aus. „Die konnte kein Englisch, das war eine richtige italienische Mama aus Rom“, sagt Laura. „Also haben wir uns bei zwei Flaschen Wein mit Händen und Füßen unterhalten.“ Laura empfiehlt allen Sprachreisenden, sich für die Unterkunft bei einer Gastfamilie zu entscheiden – für die zusätzliche Übung.

Laura N. wählte einen Intensivkurs Italienisch, denn zur Anerkennung eines Bildungsurlaubs sind mindestens sechs Lehrstunden täglich erforderlich. Da sie ihre Italienisch-Kenntnisse jedoch in ihrer Arbeit nicht einsetzen kann, brauchte sie zudem einige Stunden politische Weiterbildung, um den Bildungsurlaub zu bekommen. Sie besuchte nachmittags Kurse zur Politik und Literatur Italiens, zur Geschichte des Landes und der Stadt.

Den Bildungsurlaub können in der Regel auch Teilnehmer von Fernstudiengängen für die Präsenzphasen nutzen. Die Einrichtungen müssen vom jeweiligen Bundesland für den Bildungsurlaub anerkannt sein. Im Fall von ausländischen Sprachschulen sei das manchmal schwierig, sagt Michel Jenal vom Anbieter ESL-Sprachreisen. Denn die Schulen müssen in jedem einzelnen Bundesland einen Antrag stellen – auf Deutsch. „Wir versuchen, unsere Partnerschulen dennoch zu überzeugen, dass sich das lohnt“, sagt Jenal.

Berufstätigen empfiehlt er, die Sprachkurse eher in der Nebensaison zu buchen. In der Hochsaison dominieren meist Jugendliche und Studenten die Schulen. Für die Freizeit sorgen die Einrichtungen meist auch: Es gibt Angebote für Museumsbesuche, Stadtrundgänge, gemeinsame Ausflüge ins Umland.

Sei es für den Bildungs- oder den Erholungsurlaub – zur Weiterbildung eignen sich außer Sprachreisen auch ein- bis zweiwöchige Kurse, die im Bundesgebiet stattfinden. Thematisch gibt es kaum Grenzen, das Angebot reicht vom Kurs zu gewaltfreier Kommunikation über Jugendbewegungen des 20. Jahrhunderts bis zu regionalem Geschichtsunterricht.

Auch auf die erholsame Umgebung wird bei den meisten Angeboten geachtet. Die Celsusakademie aus Niedersachsen etwa veranstaltet ein Seminar zur Burnout-Prophylaxe im Kloster Lehnin nahe Potsdam. „Das findet fernab vom Telefon und von Computer-Arbeitsplätzen statt“, sagt Kursleiter Stephan Rusch – Erholung ist schließlich das Thema des Seminars. Wer möchte, kann abends zum gemeinsamen Essen im Hotel kommen, einen Ausflug nach Potsdam machen oder die Brandenburger Natur genießen.

Wer die eigene Weiterbildung während der Urlaubszeit selbst organisieren möchte, kann auch einfach zur Lektüre greifen – ob zur Fachliteratur oder zum Ratgeber für den gelungenen Smalltalk. Doch auch in diesem Fall, sagt Coach Philipp Stahl, sollte man sich gut überlegen, für was wirklich Zeit bleibt. „Das heißt: Einmal kurz innehalten beim Kofferpacken und sich überlegen, was man da gerade hineinlegen will.“ Auch hier lautet die Frage: Ist es realistisch, dass ich mich am Strand durch die Literatur kämpfe? Sonst könnte das ungelesene Buch Frust auslösen.

Ob gar der Computer mit der CD-ROM für den Buchhaltungskurs mit ins Gepäck darf, bedarf besonderer Prüfung. „Da steckt eine große Verführung dahinter, dann auch mal nebenbei die E-Mails zu checken“, sagt Stahl. Wer nicht auf solche Kommunikationsmedien verzichten möchte, sollte sich daher vorher Zeitfenster schaffen, die allein dafür vorgesehen sind.

Laura N. hat ihr Bildungsurlaub so gut gefallen, dass sie im Juli gleich wieder nach Bologna fährt. Sie wird wieder einen Sprachkurs machen und wieder in derselben Gastfamilie wohnen – über Facebook hat sie den Kontakt gehalten. Dieses Mal wird sie dafür ihren Erholungsurlaub nutzen.

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