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Ausgeliefert im Operationssaal. Jeder Eingriff ist mit einem Risiko verbunden. Geht etwas schief, können die Geschädigten Schadenersatz verlangen. Doch dazu müssen sie nachweisen, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat. Das fällt Laien schwer.

© picture alliance / dpa

Gesundheit: Wie Sie sich gegen Ärztepfusch wehren können

Eine neue Vorschrift soll Patienten bei Ärztepfusch helfen. Sie macht einiges leichter, aber nicht alles.

Von Carla Neuhaus

Cornelia Arndt kann nur noch mit Krücken laufen. Vor siebeneinhalb Jahren ist die Berlinerin, die aufgrund eines Rechtsstreits ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, wegen Arthrose am Knie operiert worden. Doch die Operation missglückte: Es entstand ein Spalt im Unterschenkelknochen, durch den die Ärzte das Kniescheibenband nicht wieder annähen konnten. Ihren Beruf als Informatikerin musste die 52-Jährige aufgeben. „Die Schmerzmittel waren so stark, dass ich bei der Arbeit eingeschlafen bin“, erzählt sie. „Außerdem kann ich nicht mehr lange sitzen.“ Sie hat das Krankenhaus deshalb auf eine Entschädigungszahlung von 60 000 Euro verklagt. Sechs Jahre hat es gedauert, bis das Landgericht Berlin im vergangenen Jahr ein Urteil gefällt hat – zugunsten der Ärzte.

Künftig soll ein neues Gesetz die Rechte von Patienten wie Cornelia Arndt stärken. Den Bundesrat hat es bereits passiert. Sobald der Bundespräsident unterschrieben hat, tritt es in Kraft. „Erstmals begegnen sich Patient und Arzt auf Augenhöhe“, lobte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Das Gesetz werde „die Patientenrechte greifbar“ machen.

Denn bislang sind diese in einer Vielzahl einzelner Vorschriften geregelt. Einige stehen im Sozialgesetzbuch, andere im Grundgesetz oder im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Manches beruht noch nicht einmal auf Gesetzen, sondern nur auf der Rechtsprechung. Für die Verbraucher ist das unübersichtlich. Sechs von zehn Patienten kennen ihre Rechte nicht, ergab eine Umfrage des Bundesgesundheitsministeriums. Künftig sollen die Rechte deshalb gesammelt im BGB zu finden sein.

„Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Christian Zimmermann, Präsident des Allgemeinen Patientenverbands. Wie er bemängeln Verbraucherschützer allerdings, dass die Reform wenig Neuerungen bringt – zum  Beispiel in der Frage, wer einen Kunstfehler nachweisen muss.

BEWEISLAST

Die Patienten müssen nämlich auch nach dem neuen Gesetz belegen, dass der Arzt falsch gehandelt hat, dass ein Schaden entstanden ist und dass der Schaden auf den Fehler des Arztes zurückzuführen ist. Das ist bereits heute gängige Rechtsprechung, stand bislang allerdings in keinem Gesetz. Nur bei groben Fehlern ist die Beweislast umgekehrt: Dann muss der Arzt beweisen, dass es nicht sein Handeln war, das zu dem Schaden geführt hat. Allerdings fangen die Probleme schon bei der Frage an, was ein einfacher und was ein grober Behandlungsfehler ist. „Es gibt eine gewisse Grauzone“, sagt Zimmermann. Patientenschützer hatten deshalb eine vollständige Beweislastumkehr gefordert. „Es wäre besser, wenn der Patient nur den Fehler und den Schaden beweisen muss und der Zusammenhang erst einmal vermutet wird“, sagt Jörg Heynemann, Anwalt für Medizinrecht.

GUTACHTEN

Unterstützung sollen die Patienten künftig von der gesetzlichen Krankenkasse bekommen. Die soll ihnen zum Beispiel dabei helfen, bei einem vermeintlichen Kunstfehler über den Medizinischen Dienst ein Gutachten zu bekommen. Patientenschützer bemängeln, dass im Gesetz nur steht, dass die Krankenkassen das tun sollen, aber nicht müssen. Allerdings haben die Kassen in der Regel selbst ein Interesse daran, die Patienten zu unterstützen, weil auch auf sie höhere Kosten durch Reha oder Folgeoperationen zukommen, wenn ein Patient falsch behandelt wurde.

Das Problem: Häufig haben Patienten es nicht leicht, einen Gutachter zu finden. Die Ärzte würden sich oft gegenseitig in Schutz nehmen, sagt Patientenvertreter Zimmermann. Auch die Berlinerin Cornelia Arndt hatte Schwierigkeiten. Zehn Ärzte hat sie aufgesucht, keiner wollte ihr ein Gutachten ausstellen. „Sie waren alle entsetzt über meinen Fall“, sagt sie, „aber keiner wollte mir das Schwarz auf Weiß geben.“ Deshalb hat in ihrem Fall letztlich das Gericht einen Gutachter bestellt.

PATIENTENAKTEN

Eine kleine Verbesserung bringt das neue Gesetz allerdings bei der ärztlichen Dokumentation, sagt Rechtsanwalt Heynemann. Künftig muss jede Änderung, die ein Arzt in einer Patientenakte vornimmt, mit Datum dokumentiert werden. „Dadurch können die Akten nicht mehr manipuliert werden, was früher immer wieder ein Streitpunkt war“, sagt Heynemann. Denn wenn Patienten eine falsche Behandlung nachweisen wollen, müssen sie sich auf das verlassen, was der Arzt in der Akte notiert hat. Das Gesetz schreibt zudem vor, dass Patienten jederzeit das Recht haben, ihre Akte einzusehen. Verweigert der Arzt das, muss er seine Weigerung begründen.

ENTSCHÄDIGUNG

Einen Entschädigungsfonds, wie ihn die Opposition gefordert hatte, wird es dagegen vorerst nicht geben. Aus seinen Mitteln sollten Patienten unbürokratisch entschädigt werden, wenn ihr Arzt bei der Behandlung einen Fehler gemacht hat. Weil das neue Patientenrechtegesetz einen solchen Fonds nicht vorsieht, hat Wolfgang Zöller (CSU), der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, jetzt einen neuen Vorschlag gemacht: Er will eine Stiftung ins Leben rufen, über die Hilfszahlungen finanziert werden können.

Der Berlinerin Cornelia Arndt hilft das vorerst nicht. Sie kämpft weiter um eine Entschädigung. Arndt hat Berufung eingelegt, ihr Fall geht jetzt vors Berliner Kammergericht.

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