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„Die kriegen das hin.“ Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) glaubt, dass die Reform Bestand hat und Bundestag und Bundesrat den Änderungen zustimmen.

© dpa

Einigung bei der Erbschaftsteuer: Komplizierter Kompromiss bezieht Kritik von allen Seiten

Firmenerben sollen künftig mehr Steuern zahlen. Der Wirtschaft geht das zu weit, die Linke spricht von einem "Kniefall" vor den Reichen.

Erleichterung hat ein Gesicht. Sie sieht aus wie Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz nach dem Durchbruch im Ringen um die Erbschaftsteuer. Der SPD-Politiker ist amtierender Vorsitzender des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat. Wenn es um die Steuern für Firmenerben geht, ist das ein extrem undankbares Amt.

Der ewige Streit

Erst hatte die Koalition im Bund darüber gestritten, wie viel Steuern man Unternehmenserben zumuten kann und muss. Kaum war man sich einig, scherte Bayern aus. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) inszenierte sich als Hüter der mittelständischen Wirtschaft, kündigte den Kompromiss wieder auf und rief Karlsruhe auf den Plan. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2014 die Privilegien für Unternehmenserben gekippt und der Politik eine Frist gesetzt, eine verfassungskonforme Lösung bis Ende Juni 2016 auf die Beine zu stellen. Weil das nicht gelungen ist, haben die Richter damit gedroht, das Thema Ende September auf ihre Tagesordnung zu setzen, falls es bis dahin keinen Gesetzesbeschluss gebe.

Olaf Scholz schafft den Kompromiss

Diese Peinlichkeit dürfte der Politik nun erspart bleiben. Nach einer mehr als siebenstündigen Marathonsitzung haben sich die Vertreter von Bund und Ländern in der Nacht zum Donnerstag auf einen Kompromiss geeinigt. Voraussichtlich am 29. September wird sich der Bundestag, am 14. Oktober der Bundesrat mit den Änderungen beschäftigen.

„Es wäre eine große Blamage, wenn der Gesetzgeber nicht selber eine Erbschaftsteuerreform beschließt, sondern das Bundesverfassungsgericht die Rolle des Gesetzgebers übernimmt“, appellierte Scholz an die Parlamente. Die Chancen stehen nicht schlecht: Horst Seehofer zeigte sich am Donnerstag schon mal „sehr zufrieden“, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach von einem verfassungsfesten, guten Kompromiss für die Familienunternehmen.

Wirtschaft warnt vor steigenden Belastungen

Deren Verband warnte am Donnerstag aber gleich vor höheren Belastungen für die Unternehmen. Auch der Maschinenbauverband VDMA ist nicht begeistert, der Kompromiss sei „eine Kröte, die wir schlucken müssen“, betonte Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. Der Industrieverband BDI warf der Politik vor, ihr Versprechen, Mehrbelastungen zu vermeiden, gebrochen zu haben. Die Linke sieht das ganz anders. Der Kompromiss sei ein „Kniefall“ vor superreichen Erben, meint Linken-Chef Bernd Riexinger, die Einigung schreibe „unverhältnismäßige Steuerprivilegien“ fort, kritisiert der Deutsche Gewerkschaftsbund.

Eines ist sicher: Die jetzt gefundene Lösung ist so kompliziert, dass kein Unternehmer ohne Hilfe von Experten auskommt. Die Reform der Erbschaftsteuer sei ein „Beschäftigungsprogramm für Steuerberater“ ätzte am Donnerstag der Präsident des Ifo-Instituts Clemens Fuest. Statt hoch komplexer Spezialregelungen wäre es besser gewesen, alle Ausnahmen abzuschaffen und den Steuersatz für sämtliche Erbschaften auf acht Prozent zu senken, findet Fuest. Es kam anders.

So sieht der Kompromiss aus

Nach dem Kompromiss werden auch künftig Firmenerben vom Fiskus verschont, wenn sie das Unternehmen lange Zeit weiterführen und Arbeitsplätze erhalten. Ohne Nachweis soll das aber künftig nur noch für Kleinstbetriebe bis zu fünf Angestellten gelten, derzeit liegt die Grenze bei 20 Beschäftigten. Wer mehr als fünf Mitarbeiter hat, muss künftig anhand einer Lohnsummenberechnung darlegen, dass ein Großteil der Jobs bleibt.

Zweite wichtige Änderung: Künftig spielt die Größe des Betriebs eine Rolle für die Frage, ob Erben Steuern zahlen oder nicht. Ab einer Schwelle von 26 Millionen Euro findet in Zukunft eine Bedürfnisprüfung statt. Um Steuern zu vermeiden, muss der Erbe nachweisen, dass ihn die Zahlung überfordern würde. Nutzt er diese Möglichkeit, muss er sein Privatvermögen offenlegen. Pocht er dagegen auf seine Privatsphäre, wird er mit Abschlägen bestraft. Mit wachsendem Unternehmensvermögen muss ein größerer Teil des Betriebsvermögens versteuert werden. Ab einem Erbe von 90 Millionen Euro gibt es keine Verschonung mehr.

Der Kompromiss enthält zudem Regeln für die Firmenbewertung. Für Familienunternehmen gibt es unter bestimmten Umständen steuermindernde Ausnahmen. Auch die Frage, was – privilegiertes – Betriebsvermögen und was Privatvermögen ist (Oldtimer, Yachten, Kunstwerke) wird geregelt.

FDP: Regelung landet wieder in Karlsruhe

Ende gut, alles gut? Volker Wissing glaubt das nicht. Er gehe davon aus, dass Karlsruhe auch diese Regelung aufhebt, sagte der FDP-Finanzexperte im ARD-„Morgenmagazin“.

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