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© dpa

Einkommen: Neuer Streit um Mindestlöhne - Kritik an Zumwinkels Millionendeal

Post-Chef Klaus Zumwinkel wird von der Politik angegriffen, weil er nach dem Koalitionsbeschluss zum Mindestlohn Aktien-Optionen verkauft und Millionen kassiert hat. Nach der Pin AG prüft nun ein weiteres Unternehmen den Ausstieg aus dem Privatkundengeschäft.

Der vermeintlich schon abgehakte Post-Mindestlohn entwickelt überraschend neue Sprengkraft. Für Aufregung sorgen die Ankündigungen der privaten Postkonkurrenten: Die Pin AG will mehr als 1000 Arbeitsplätze abbauen, TNT - der Ableger der niederländischen Post - prüft alle Optionen bis hin zum Ausstieg aus dem Privatkundengeschäft. Beide Unternehmen nennen als Grund die Einführung des Mindestlohnes für Briefdienste mit bis zu 9,80 Euro pro Stunde. Sie sehen sich damit im Wettbewerb mit der Post nicht konkurrenzfähig.

In die ohnehin brisante Gemengelage platzte die Nachricht, dass Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel an der Börse Kasse gemacht hatte - nach einem Kursanstieg der Post-Aktie um knapp fünf Prozent. Der Verkauf der mehr als 200.000 Aktienoptionen brachte dem obersten Briefträger Deutschlands gut 4,7 Millionen Euro ein. Dies sei "moralisch verwerflich" empörte sich die Fraktionsvize der Grünen, Christine Scheel.

Ein Konzernsprecher wies solche Vorwürfe zurück: "Der Zeitpunkt des Verkaufs hat rein technische Gründe." Einen "richtigen Zeitpunkt" gebe es für in der Öffentlichkeit stehende Manager nie. "Verkauft er bei schlechtem Kurs, heißt es, die Ratte verlässt das sinkende Schiff. Verkauft er bei gutem Kurs, wird ihm persönliche Bereicherung vorgeworfen", sagte der Sprecher.

Post: Springer-Verlag fährt Kampagne gegen uns

Ausschlaggebend für den Verkauf sei allein ein "juristisches Zeitfenster" gewesen, in dem der Post-Chef überhaupt habe verkaufen dürfen. Vorstandsvorsitzende können in Deutschland nach einer Selbstverpflichtung nur zu bestimmten Zeiten Aktien verkaufen oder Optionen einlösen. Kurz vor der Bekanntgabe von Geschäftszahlen etwa ist dies verboten.

Den Bericht der "Bild", der den Aktien-Verkauf Zumwinkels publik machte, nannte der Post-Sprecher "völlig maßlos". Er sei eine "Fortsetzung der Springer-Kampagne gegen uns". Zum Springer-Verlag gehört der größte private Postdienstleister, die Pin Group. Zu den geplanten Stellenstreichungen bei der Pin AG meinte der Post-Sprecher: "Der Mindestlohn ist noch nicht in Kraft. Warum wird dann schon entlassen?" Offenbar gehe es bei Pin "nicht um Mindestlohn, sondern um ein geschäftliches Scheitern".

Steinbrück: "Die Aufregung kann ich verstehen"

Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) konnte sich eine Spitze gegen die Wirtschaftselite nicht verkneifen: "Die Aufregung kann ich verstehen", sagte er im Sender N24. Manager müssten Vorbilder sein.

Derweil zeichneten sich Differenzen zwischen Union und SPD über die Einführung von Mindestlöhnen in weiteren Branchen ab. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machte darauf aufmerksam, dass es keine Lösung sei, wenn wegen zu hoher Mindestlöhne Arbeitsplätze verloren gingen und Beschäftigte arbeitslos würden. Die Entwicklung sei "sorgsam weiter zu beobachten".

Während die SPD das Thema Mindestlohn offensiv als Rezept gegen "LohndumPing" weiter verfolgt, wird es in den Reihen von CDU und CSU eher mit spitzen Fingern angefasst. Das Unbehagen in der Union rührt daher, dass die Koalitionsspitzen im Juni vereinbart hatten, dass alle Branchen, die dies wünschen und einen Mindestlohn-Tarifvertrag abschließen, auf Antrag ins Entsendegesetz aufgenommen werden können - und ihre Vereinbarung damit in der Branche verbindlich wird. Voraussetzung ist, dass mehr als die Hälfte der Branchenbeschäftigten von dem Tarifvertrag erfasst ist.

Regierungssprecher: Platz für Spielraum

Ist der Anteil der tarifgebundenen Beschäftigten geringer, kann über die geplante Novellierung des Mindestarbeitsbedingungen-Gesetz demnächst dennoch ein Branchenmindestlohn eingeführt werden. Die Vereinbarung gelte, bekräftigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm - meldete aber dennoch Vorbehalte an. "Innerhalb des Vereinbarten ist Raum für politische Erwägungen." Diese Ansicht wird im SPD-geführten Bundesarbeitsministerium nicht geteilt.

Dieses rechnet damit, dass sich in den kommenden Monaten weitere Branchen mit der Bitte um allgemeinverbindliche Mindestlöhne melden. Die Rede ist von der Zeitarbeit, der Abfallwirtschaft, dem Gartenbau oder dem Bewachungsgewerbe. SPD-Chef Kurt Beck stellte klar: "Es darf keine Geschäftsmodelle geben, bei denen die Gewinnerwartung davon abhängt, dass Hungerlöhne gezahlt werden."

In der Union dagegen mehren sich die Stimmen, sich von der SPD nicht weiter drängen zu lassen. Was man Briefträgern zugestehe, könne man Wachleuten oder Gärtnern nicht vorenthalten. "Da kommen wir jetzt nicht mehr raus", bedauerte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach in der "Zeit". "Das ist wie mit einem Hemd, bei dem der oberste Knopf falsch geknöpft ist: Entweder man beginnt ganz von vorn, oder man muss falsch weitermachen." (imo/dpa/AFP)

Günther Voss

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