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Wirtschaft: Einmal durchs Ozonloch und zurück

Air Berlin bietet erstmals einen Flug von Tegel zum Nordpol an. An Bord gibt es auch ein Bildungsprogramm zum Klimaschutz

Berlin - Was Knuts Ziehvater Thomas Dörflein von der Idee halten würde, lässt sich leider nicht mehr in Erfahrung bringen. Vielleicht hätte er selbst mal sehen wollen, wo die kleinen Eisbären ohne Zoomauern leben – und zwar nicht vom Deck eines zugigen Eisbrechers aus, sondern bequem im Sitz eines Airbus A330. Mindestens 444 Euro müsste er dafür zahlen. Wollte er dabei noch die Füße hochlegen und Champagner ohne Ende trinken, würden bis zu 2666 Euro fällig.

Die Fluggesellschaft Air Berlin bietet in Kooperation mit dem kleinen Essener Reiseveranstalter Air Events unter der Marke „Polarflug“ erstmals einen Rundflug von Berlin über die Arktis und den Nordpol an. Gelandet wird nicht. Der Flug AB 1111startet am 5. Mai 2012 um acht Uhr in Tegel und landet etwa zwölf Stunden später dort wieder.

Es ist der vierte Flug dieser Art seit 2007 – allerdings der erste, der in Berlin startet. Im Internet kursieren Texte und Filmchen von Polarromantikern, die im Mai 2010 in Düsseldorf gen Norden abgehoben sind. Einigen sieht man ganz deutlich an, dass sie auch „Oma ihr gesamtes Erbe“ auf den Kopf gehauen hätten, um sich eines der 270 Tickets zu kaufen. Die dortige Lokalpresse berichtete damals auch von Holger, der seiner Tina am Nordpol einen Heiratsantrag machte.

Angesichts solcher Begeisterung fragt man sich, warum nicht jede Woche ein Flug zum Nordpol startet. Sven Maertens, Geschäftsführer des Veranstalters Air Events, winkt ab. „Dann wär es ja nichts Besonderes mehr.“ Er und seine zwei Kollegen hätten zudem alle noch reguläre Jobs und keine Lust, daraus ein echtes Geschäftsmodell zu entwickeln. Seine „im Prinzip nur virtuelle Firma“ bestehe aus ein paar Luftfahrtfans, die unregelmäßig ganz spezielle Flüge für andere Fans anbieten. So charterte er Ende Oktober 2008 eine Boeing 737 ebenfalls von Air Berlin, um Nostalgikern den letzten Flug vom Flughafen Tempelhof aus anzubieten. Leider landeten danach noch eine Hand voll Kleinflugzeuge auf dem heute stillgelegten Traditionsflughafen. So etwas wurmt echte Luftfahrtfreunde.

Maertens, der sonst beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeitet, hat auch schon überlegt, ob er einen Rundflug über die Sahara organisiert. Allerdings müsse man da die Lufträume von Algerien, Libyen, Mali und Niger nutzen. „Da weiß man nie, ob die einen plötzlich auffordern zu landen und eine dicke Gebühr verlangen“, sagt er. Zudem fliegen ja diverse Airlines regulär Linie über die Sahara.

Auf Fragen nach Knut, Klima und dem Ozonloch, das sich auch über der Arktis langsam ausbreitet, ist Martens bestens vorbereitet. Ihm sei klar, dass mancher Zeitgenosse es als dekadent empfinden mag, im kerosinverschwenderischen Tiefflug zwei Runden um den Pol zu brausen, nur um dort ein paar Fotos (oder einen Heiratsantrag) zu machen. „Wir bieten ein Begleitprogramm an Bord an, das den Gästen auch zeigen soll, wie schützenswert diese einmalige Natur ist. Wir hoffen, dass sie ihre Erlebnisse mit Freunden teilen, um ein generelles Umdenken zu bewirken“. Zudem würden Passagiere aufgefordert, 50 Euro zusätzlich für ein konkretes Waldaufforstungsprojekt in Deutschland zu spenden.

An Bord seien auch Experten, etwa von der Weltraumbehörde Esa. Von unterwegs werde ein Live-Telefonat mit Forschern des Alfred-Wegner-Instituts übertragen, die auf der Insel Jan Mayen in der Grönlandsee eine Station betreiben. Das immerhin hätte Thomas Dörflein ganz sicher gefallen. Kevin P. Hoffmann

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