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Wirtschaft: Einspruch

Die amerikanische Debatte über Stammzellforschung ist einmal mehr als moralisches Desaster beschrieben worden: Als gäbe es nur die Alternative zwischen staatlicher Finanzierung und Privatfinanzierung, zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und religiösem Fanatismus. Doch vielleicht steuert das politische System auf einen Kompromiss zu, der vielschichtiger ist, als man das vielleicht erwarten könnte.

Die amerikanische Debatte über Stammzellforschung ist einmal mehr als moralisches Desaster beschrieben worden: Als gäbe es nur die Alternative zwischen staatlicher Finanzierung und Privatfinanzierung, zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und religiösem Fanatismus. Doch vielleicht steuert das politische System auf einen Kompromiss zu, der vielschichtiger ist, als man das vielleicht erwarten könnte.

Ein in der vergangenen Woche vom USRepräsentantenhaus beschlossener Gesetzesentwurf würde die von Präsident George W. Bush 2001 entschiedene Regelung aufheben, wonach embryonale Stammzellforschung durch den Staat finanziert wird. Bush hat gedroht, sein Veto einzulegen – es wäre das erste seiner Amtszeit – falls der umstrittene Gesetzesentwurf auch die zweite Kammer, den Senat, passieren sollte. Er argumentiert, dass damit „eine kritische Linie in der Ethik überschritten würde“.

Erinnern wir uns daran, was die Regelung vom August 2001 tatsächlich bedeutete. Sie erlaubte die staatliche Förderung für die Forschung an Stammzellenlinien, die vor August 2001 entstanden sind. Bei ihnen, hieß es zur Begründung, sei „die Entscheidung über Leben oder Tod bereits gefallen“. Für alle Stammzellen, die nach diesem Datum gewonnen sind, sollte es keine öffentlichen Gelder mehr geben.

Dabei ist allerdings zu bedenken, dass Bushs damalige Entscheidung eben nur für staatliche Fördermittel galt, sie hatte keinerlei Auswirkungen auf die Rechte von einzelnen Forschern, Universitäten, Krankenhäusern, Privatlabors, öffentlichen Körperschaften oder Einzelstaaten, Embryonenforschung durchzuführen. Mit anderen Worten, der Präsident „verbot“ gar nichts. Er lehnte es lediglich ab, das Geld des Steuerzahlers für eine Praxis auszugeben, die Millionen Amerikaner als moralisch verwerflich erachten.

Gewiss, viele privat finanzierte Forschungseinrichtungen beklagen Bushs „antiquierte Stammzellenpolitik“, wie sie es nennen. Doch ist uns bislang kein Unternehmensvorstand begegnet, der sich nicht über Regierungsbeschränkungen entrüstet hätte oder der nicht mehr staatliche Fördermittel begrüßen würde. Tatsächlich beschafft sich die Privatwirtschaft, wie beispielsweise die kalifornische Biotech-Firma Geron, die führend ist in der Embryonenforschung, privates Beteiligungskapital an den Finanzmärkten. Das Unternehmen entwickelt seine eigenen Stammzellenlinien.

Wenn sich die embryonale Stammzellenforschung innerhalb des von Bush vorgegebenen Systems so weit entwickeln kann, sind gewiss auch weitere Fortschritte möglich – ohne mehr staatliche Unterstützung.

Die Situation ist vergleichbar mit dem Kompromiss, den der Kongress zur Abtreibung gefunden hat: Abtreibung mag legal sein, doch Steuerzahler werden nicht gezwungen, sie zu subventionieren. Der Kompromiss, den Bush 2001 zur Stammzellenforschung gefunden hat, schafft ein vernünftiges Gleichgewicht.

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