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Chance auf der Schiene. Die Bahn sucht Mitarbeiter. Im August ging auf dem Bahnhof Mainz überhaupt nichts mehr, weil zu viel Personal fehlte. Wer einmal bei der Bahn anfängt, kann sich dort immer wieder neue Berufe suchen. Foto: dpa

© dpa/dpaweb

Wirtschaft: Einsteigen, bitte!

Bei der Bahn gibt es mehr zu tun als Fahrkarten zu kontrollieren - und es fehlt an Personal. Quereinsteiger haben in verschiedenen Berufen nach einer Weiterbildung gute Chancen. Etwa als Bauüberwacher oder Lokführer.

Bahnhofsdächer, Signale und Bahnsteigkanten sieht Iris Rueb mit anderen Augen, seit sie sich bei der Deutschen Bahn zur Bauüberwacherin ausbilden lässt. Am 1. Oktober hat die Architektin ihre knapp einjährige Ausbildung hinter sich. Für den neuen Beruf entschied sie sich spontan. „Ich hatte in einer Anzeige gelesen, dass die Bahn Ingenieure sucht, und habe dazu eine Infoveranstaltung besucht“, sagt die 42-Jährige. Anschließend kümmerte sie sich um die Förderung durch die Agentur für Arbeit und legte mit dem Quereinstieg los. Dass es bei der Bahn mehr zu tun gibt als Fahrkarten zu kontrollieren, war Iris Rueb schon vorher klar. „Ich bin bei Würzburg aufgewachsen und habe den Bau der Schnellbahnstrecke Hannover-Würzburg mitverfolgt“, sagt sie. „Das fand ich damals schon wahnsinnig spannend.“

Jetzt gehört es zu ihren Aufgaben, Bauvorhaben zu überwachen. Sie stimmt mit dem Baubetriebskoordinator ab, ob, wo und zu welcher Zeit die geplanten Baustellen möglich sind, ohne dass der Zugverkehr übermäßig gestört wird. Sie ist auch auf der Baustelle vor Ort und überprüft, ob alles nach Plan läuft. „Spannend finde ich die Vielfältigkeit“, sagt Iris Rueb über ihren neuen Job, für den sie momentan zwischen Frankfurt und Berlin pendelt. „Man ist ja auf ganz verschiedenen Baustellen: Auf der einen werden beispielsweise die Bahnsteigdächer neu gemacht, auf der anderen die Bahnsteigkanten. Kaum etwas passiert zweimal. Ich kenne jetzt die Hintergründe und die Richtlinien und muss sie aber jeden Tag wieder neu anwenden und mich beweisen.“

Dass die Bahn händeringend nach Personal sucht, wurde im August deutlich, als am Bahnhof Mainz wegen Personalmangels keine Züge mehr halten konnten. Auch in Berlin sucht der Konzern Mitarbeiter für einen Quereinstieg: „Wir suchen momentan Lokführer, Fahrdienstleiter, Fahrwegpfleger und Kundenberater sowie Bauüberwacher“, sagt Katrin Sünderhauf, Leiterin Operatives Personalmarketing und Rekrutierung Region Ost.

Einen Teil ihres Personalbedarfs deckt die Bahn über Quereinsteiger wie Iris Rueb. Dazu gibt es seit vergangenem Jahr eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit für Einstiegsqualifizierungen. Momentan befinden sich deutschlandweit etwa 250 Arbeitslose in sogenannten Maßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB). Im Ruhrgebiet wurden unter anderem ehemalige Schlecker-Mitarbeiterinnen zu Fahrdienstleiterinnen ausgebildet. Statt Drogerieprodukte zu verkaufen, stellen sie jetzt die Weichen im Zugverkehr.

Heino Bittner leitet bei DB Training, dem Weiterbildungsdienstleister der Bahn, die Einheit „Förderung beruflicher Bildung“. Er sagt: „Die Vorerfahrungen, die Bewerber mitbringen müssen, sind ganz unterschiedlich, da wir sowohl in der Facharbeiterebene ausbilden als auch Hochschulkräfte.“ Eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine mehrjährige Berufserfahrung sind wünschenswert. Gute Deutschkenntnisse und eine hohe Motivation sind ebenfalls wichtige Voraussetzungen. Darüberhinaus sind bestandene Gesundheitstests für viele Berufe ein Muss. „Bahnarzt und Psychologe führen jeweils Tests durch, die die Bewerber bestehen müssen, weil sie ja in im Gefahrenbereich der Gleise arbeiten.“

Arbeitslosen wird während der Zeit ihrer Einstiegsqualifikation das Arbeitslosengeld weitergezahlt. Die Bundesagentur für Arbeit beteiligt sich auch an den Kosten der Qualifizierungsmaßnahmen. „Alle Ausbildungen sind sehr praxisnah ausgerichtet“, sagt Heino Bittner. Das gilt nicht nur für den Triebfahrzeugführer, der über 300 Stunden Praxiserfahrung beim Führen einer Lokomotive sammeln muss, sondern auch für Jobs wie den des Kundenbetreuers, der im Zug die Fahrkarten kontrolliert. „Trotzdem gibt es immer auch einen Theorieteil, der auch Teil der Abschlussprüfung ist“, sagt Bittner.

Die Dauer der Ausbildung hängt vom Berufsbild ab. Während der Triebfahrzeugführer zwischen neun und elf Monaten lernt, werden Fahrdienstleiter und Wagenmeister in fünf Monaten, Kundenbetreuer in vier Monaten und Bauüberwacher wie Iris Rueb in knapp neun Monaten ausgebildet. Darüberhinaus hat die Bahn eine Kooperation mit der Bundeswehr. „Zeitsoldaten, die in Kürze ihre Dienstzeit beenden, können bei uns eine Funktionsausbildung zum Beispiel zum Lokführer absolvieren, eine zweite Berufsausbildung beginnen oder dual studieren“, sagt Katrin Sünderhauf.

Wer noch keine Berufsausbildung hat, dem bietet das Programm „Chance plus“ die Möglichkeit, sich auf den Beginn einer Ausbildung vorzubereiten. In dem Berufsvorbereitungsprogramm werden seit einigen Jahren jährlich etwa 300 Jugendliche geschult. Über 75 Prozent erhalten im Anschluss einen Ausbildungsvertrag bei der Deutschen Bahn, die aktuell in mehr als 50 Berufen ausbildet. Wer einmal den Einstieg bei der Bahn geschafft hat, dem eröffnen sich viele Entwicklungsmöglichkeiten. „Viele Mitarbeiter wechseln nicht nur in ihrem Bereich, sondern auch berufsübergreifend“, sagt Katrin Sünderhauf. „Man kann bei uns als Azubi einsteigen, und bis zum Rentenalter in jeder Lebensphase einen anderen Job ausüben.“

Auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzt sich der Konzern ein. So wurde in Frankfurt gerade der erste Betriebskindergarten eröffnet, in Berlin bietet die DB Belegkindergartenplätze an. Im April hat die Bahn mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) einen Demografietarifvertrag abgeschlossen, der Teilzeit im Alter, flexibleres Arbeiten, Jobsharing oder Teilzeit-Ausbildungen für Azubis ermöglicht. „Der Schlüssel zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist die Lebenssituation angepasste Schichtplanung“, sagt Katrin Sünderhauf.

Iris Rueb schätzt die Bahn als soliden Arbeitgeber. Die Quereinsteigerin freut sich über geregelte Arbeitszeiten und einen festen Arbeitsvertrag – Dinge, die in ihrem bisherigen Berufsleben nicht selbstverständlich waren. Bisher hatte sie als Architektin Zeitverträge oder war geringfügig beschäftigt, immer begleitet von der Angst vor der Arbeitslosigkeit. Den Quereinstieg kann sie weiterempfehlen: „Einige Studienkollegen haben schon gesagt, dass sie sich auch einen Job bei der Bahn auch vorstellen könnten.“

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