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Wirtschaft: Einzelhandel will Tarife lockern

Nach Karstadt-Einigung fordern Branchenverbände und Politiker mehr betriebliche Selbstbestimmung

Berlin - Politiker und Verbände fordern, die Tarifverträge im Einzelhandel zu lockern. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) will bei den Tarifverhandlungen im kommenden Jahr Öffnugsklauseln für die gesamte Branche durchsetzen. „Die Einigung bei Karstadt-Quelle zeigt, dass tarifliche Öffnungsklauseln ein wesentlicher Beitrag zur Beschäftigungssicherung in der Branche sind“, sagte HDE-Geschäftsführer Heribert Jöris. Auch die Union und der Bundesverband des Groß- und Außenhandels (BGA) sprachen sich für eine Flexibilisierung der Tarifverträge aus.

Die Gewerkschaft Verdi hatte am Donnerstag mit dem Karstadt-Quelle-Vorstand vereinbart, dass die103000 Mitarbeiter des Konzerns in den kommenden drei Jahren auf die tarifliche Gehaltserhöhung verzichten werden. Erst wenn die Aktionäre des Konzerns wieder eine Dividende erhalten, sollen auch den Beschäftigten die Gehaltserhöhungen ausgezahlt werden.

Diese Möglichkeit, eine Nullrunde einzulegen, sollte für alle Einzelhandelsunternehmen gelten, sagte HDE-Geschäftsführer Jöris. „Was für Karstadt gilt, muss auch für die anderen gelten“, so Jördis.

Karl-Josef Laumann (CDU), wirtschaftspolitischer Sprecher der Union, forderte mehr Flexibilität bei den Tarifverträgen. „Die Tarifverträge sind im Grundsatz richtig, sie werden aber nur auf Dauer Bestand haben, wenn sie genügend Spielraum für betriebliche Einzelvereinbarungen lassen“, sagte er dem Tagesspiegel. Was in anderen Branchen längst möglich sei, müsse auch für den Einzelhandel gelten. Partei-Kollege Matthias Wissmann machte aber deutlich, dass das Karstadt-Modell nicht einfach auf die gesamte Branche übertragen werden könne. „Das ist keine Lösung, die generell für den Einzelhandel gelten sollte“, so Wissmann. Wichtig sei jedoch, dass die Tarifverträge den Firmen genug Luft lassen, um in Krisensituationen individuell reagieren zu können.

Karstadt-Quelle hat am Freitag bekannt gegeben, dass bereits im kommenden Jahr „mindestens die Hälfte“ der 5500 geplanten Stellenstreichungen umgesetzt werden sollen. Das sagte der Vorstandsvorsitzende Christoph Achenbach der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Die Hauptverwaltung in Essen werde 600 Arbeitsplätze verlieren. Die 77 zum Verkauf stehenden kleineren Warenhäuser sollen zunächst in einer eigenständigen Gesellschaft fortgeführt werden sollen. Die Häuser mit unter 8000 Quadratmeter Verkaufsfläche würden ab Januar 2005 in die eigenständige Karstadt-Kompakt GmbH übergehen, hieß es. Für 67 dieser Häuser hatte Verdi am Donnerstag eine Standortgarantie ausgehandelt. Aber auch die restlichen zehn Filialen, die rote Zahlen schreiben, sollen „ausdrücklich nicht geschlossen werden“, sagte Helmut Merkel, Chef der Karstadt Warenhaus AG. Sinn der Auffanggesellschaft ist es, den kleineren Häusern die „größtmögliche Freiheit“ zu geben, um auf die örtlichen Wettbewerbsverhältnisse eingehen zu können.

Obwohl die Gläubigerbanken von Karstadt-Quelle das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Vorstand und Verdi positiv bewerten, werden sie die Kreditlinien für den Konzern noch nicht verlängern, hieß es aus Bankenkreisen. Zunächst soll ein Gutachten der Unternehmensberatung Roland Berger über das Sanierungskonzept abgewartet werden, das Anfang November fertig sein soll. Karstadt-Quelle will seine Kreditlinien um drei Jahre verlängern und von 1,6 auf 1,75 Milliarden Euro ausweiten. Für die endgültige Zustimmung hätten die Banken aber bis kurz vor der Hauptversammlung am 22. November Zeit, auf der die Anteilseigner über eine Kapitalerhöhung um 500 Millionen Euro entscheiden sollen.

Obwohl Finanzexperten das Rettungspaket für das Unternehmen positiv bewerteten, fiel der Aktienkurs am Freitag um bis zu zehn Prozent. Experten führten dies auf die am Vorabend mitgeteilten Konditionen der Kapitalerhöhung sowie erwartete Geschäftsbeeinträchtigungen durch die Krise des Konzerns zurück.

Dagmar Rosenfeld

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