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Ekkehard Schulz, Thyssen-Krupp: "Unser Potenzial ist in Gefahr"

Der Vorstandsvorsitzende von Thyssen-Krupp, Ekkehard Schulz sieht durch Umweltauflagen Deutschlands Exportfähigkeit bedroht. Darunter leidet der Klimaschutz, meint er.

Für die deutsche Industrie ist Klimaschutz Herausforderung und Chance zugleich. Unser Land gehört politisch zu den Vorreitern im Klimaschutz. Wenn es um Technologien zur Treibhausgasvermeidung geht, nehmen deutsche Unternehmen führende Positionen ein. Neue Werkstoffe, Produkte und Verfahren können unsere Wettbewerbsfähigkeit in diesem Markt weiter steigern und Arbeitsplätze sichern. Allerdings nur dann, wenn es gleichzeitig gelingt, negative Auswirkungen der Klimaschutzpolitik auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verhindern.

Die Chancen im Werkstoffsektor: Intelligente Materialkonzepte leisten nachhaltige Beiträge zur Treibhausgasvermeidung. Dies gilt für ein breites Spektrum unterschiedlicher Branchen. Mit Leichtbau-Stählen und maßgeschneiderten Stahlprodukten können Automobilhersteller gewichtsoptimierte Fahrzeuge bauen, ohne Abstriche bei der Sicherheit zu machen. Die Gewichtseinsparungen verringern den Treibstoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen. Für künftige Antriebskonzepte gibt es neu entwickelte weichmagnetische Stähle. Sie erhöhen den Wirkungsgrad von Hybrid- oder Elektromotoren. Dem Energiesektor stehen innovative Hochtemperaturlegierungen für eine effizientere, CO2-ärmere Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen zur Verfügung. Für Hochtemperatur-Supraleiter, die künftig auch die Leistung von Windkraftanlagen steigern sollen, werden gegenwärtig optimierte Trägerwerkstoffe entwickelt. Im Übrigen: Ohne hoch belastbare Stähle wären Windenergieanlagen überhaupt nicht denkbar.

Viel Klimaschutzpotenzial bietet auch die Anlagen- und Verfahrenstechnik: So setzt die chemische Industrie in der Düngemittelproduktion verstärkt auf ein von Thyssen-Krupp entwickeltes Verfahren zur Umwandlung von Distickstoffmonoxid. Das auch als Lachgas bekannte Gas hat eine 300-fach höhere Treibhauswirkung als CO2. Verbesserte Antriebs-, Steuerungs- und Regelungssysteme ermöglichen einen effizienteren Umgang mit knappen Energieressourcen. Rund 30 Prozent weniger Strom verbrauchen zum Beispiel Aufzüge mit regenerativen Antrieben. Hier wird die Energie, die beim Bremsen der Kabinen entsteht, in elektrische Energie umgewandelt und ins Stromnetz zurückgeführt.

Unsicher ist, ob wir diese Potenziale am Standort Deutschland – oder besser: in Europa – dauerhaft nutzen können. Die Herstellung von industriellen Grundstoffen ist besonders energieintensiv. So wird die Stahlproduktion beispielsweise durch die aufgrund des Handels mit CO2-Zertifikaten steigenden Energiekosten erheblich belastet. Konkurrenten außerhalb Europas haben solche Belastungen nicht. Dies kann dazu führen, dass wir unsere Exportfähigkeit verlieren und dass heimische Produkte durch Importe aus nicht regulierten Drittländern verdrängt werden. Der wirtschaftliche Schaden wäre erheblich, ein Nutzen für den Klimaschutz nicht erkennbar. Deshalb muss dieses Ungleichgewicht unbedingt beseitigt werden.

Hinzu kommt: Selbst die besten Anlagen der energieintensiven Industrien in Europa müssen damit rechnen, mit der Zeit weniger CO2-Zertifikate zu bekommen als sie selbst bei effizientestem Anlagenbetrieb zwangsläufig brauchen. Die Gefahr: Produktmengen, die sich infolge der Verknappung der Emissionsrechte nicht mehr herstellen lassen, werden auf Anlagen außerhalb Europas mit deutlich höherem CO2-Ausstoß gefertigt. Dies zu verhindern, müsste im wohlverstandenen Interesse aller liegen, die es mit dem Klimaschutz ernst meinen.

Der Autor ist Vorstandsvorsitzender von Thyssen-Krupp, einem Mitglied der BDI-Initiative Wirtschaft für Klimaschutz (www.wirtschaftfuerklimaschutz.de).

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