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Mit dem i8 will BMW den Spagat schaffen, viele PS zu liefern und gleichzeitig den Spritverbrauch und den CO2-Ausstoß zu drosseln.

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Elektrisch oder klassisch: Deutsche Hersteller proben auf der IAA den Spagat

Auf der IAA zeigen deutsche Marken ihre E-Autos. Geld verdienen sie aber mit PS-Protzen.

Bei einem Rundgang über die 65. Internationale Automobilausstellung (IAA) empfiehlt es sich, die Augen offen zu halten. Geräuschlos jagen Elektroautos über das Frankfurter Messegelände von Halle zu Halle. Wer zu Fuß unterwegs ist, bemerkt die Fahrzeuge erst im letzten Moment. So zahlreich und von so vielen Herstellern sah man sie noch nie auf einer IAA. Eine Erfahrung, die man auf öffentlichen Straßen selten macht. Nur gut 70 000 E-Autos sind aktuell in Deutschland angemeldet. Die IAA 2013 zeigt: Das Angebot ist da und es wird stetig größer – nun endlich auch aus deutscher Produktion. Nur die Nachfrage müsste noch steigen. Dann könnte vielleicht etwas werden aus dem Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen.

Ein Besuch auf den Messeständen der deutschen Hersteller BMW, Mercedes und Volkswagen verdeutlicht, wie angestrengt die Konzerne die Erwartungen und Regularien der Politik zu erfüllen suchen. Elektro- und Hybridmodelle gehören 2013 zum bombastischen Showprogramm, mit dem die deutschen Marken den Ton in Frankfurt angeben. VW-Chef Martin Winterkorn spricht denn auch von einem „Aufbruchsignal“, das von der diesjährigen IAA ausgehe. Diesmal gehe es nicht um „Effekthascherei“, sondern um einen „fundamentalen Wandel“ der Autoindustrie. Und tatsächlich haben nicht nur Winterkorns Ingenieure geliefert: Was vor zwei Jahren noch Zukunftsvision war, steht jetzt (oder sehr bald) bei den Händlern zum Verkauf. VW präsentiert in einer selbst erklärten „Elektro-Offensive“ die elektrischen Volumenmodelle e-Up und e-Golf, BMW seine neuen i3 und i8, und Mercedes zeigt eine S-Klasse als Plug-in-Hybrid, der an jeder Steckdose aufgeladen werden kann und laut Hersteller nur drei Liter Sprit verbraucht – bei 440 PS.

„Wir glauben an die Elektromobilität“, verkündet BMW-Chef Norbert Reithofer, der einen „signifikanten Marktanteil“ und „profitables Wachstum“ in der Elektromobilität verspricht. Die IAA ist für BMW der erste große Publikumstest für das i3-Modell, in dessen Entwicklung die Münchener drei Milliarden Euro gesteckt haben. Begeistert sind in Frankfurt die zahlreichen asiatischen Messebesucher, die den i3 ausführlich von innen und außen begutachten und fotografieren.

Es geht um mehr als Nachhaltigkeit

VW-Chef Winterkorn ist unbescheidener als Reithofer: „Wir elektrifizieren alle Fahrzeugklassen und haben damit alle Voraussetzungen, um den Volkswagen-Konzern bis 2018 auch in Sachen ,Elektro‘ zur Nummer eins zu machen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende auf dem IAA-Konzernabend, während vier E-Autos des Konzerns Winterkorn lautlos umkurven. Bis 2014 sollen zunächst 14 Modelle mehrerer VW-Konzernmarken mit Elektro- oder Hybridantrieben verfügbar sein. „Bei entsprechender Nachfrage können bis zu 40 neue Modelle mit alternativen Antrieben ausgerüstet werden“, kündigte Winterkorn an. Erstaunlich wenig ist hingegen von Daimler-Chef Dieter Zetsche zu dem Thema zu hören – obwohl die Tochter Smart mit ihrem Electric-Drive-Kleinwagen ein Pionier der Elektromobilität in Deutschland ist.

Retter in der Not. Schwere Limousinen sind zwar Kundenlieblinge und Ertragsbringer der Autokonzerne. Doch sind mit ihnen die EU-Vorgaben zur Senkung des Kohlendioxidausstoßes nicht zu erreichen. Helfen soll die Hybridtechnik.
Retter in der Not. Schwere Limousinen sind zwar Kundenlieblinge und Ertragsbringer der Autokonzerne. Doch sind mit ihnen die EU-Vorgaben zur Senkung des Kohlendioxidausstoßes nicht zu erreichen. Helfen soll die Hybridtechnik.

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Das Beispiel Mercedes zeigt indes, dass es auf der IAA um weit mehr geht als die beschworene Nachhaltigkeit. Es geht ums Kerngeschäft mit herkömmlichen Autos, die einen Verbrennungsmotor haben und die am liebsten groß und stark sind wie die S-Klasse, mit denen die Konzerne das meiste Geld verdienen. Aber auch um Segmente, in denen die Nachfrage jenseits von Verbrauchswerten und CO2-Bestwerten brummt. Dieter Zetsche etwa präsentiert mit dem GLA endlich einen kleinen Geländewagen, den die Wettbewerber längst haben. Kein Fahrzeugsegment ist in den vergangenen Jahren stärker gewachsen. Lücken im Sortiment bestraft der Markt sofort. Nun habe auch Mercedes einen „Trekking-Schuh im Portfolio“, sagt Zetsche. Und die S-Klasse gibt es natürlich auch als AMG-Modell mit 585 PS, die die tonnenschwere Luxuskarosse in vier Sekunden auf 100 Stundenkilometer katapultieren. 2014 folgt ein Coupé, der in Frankfurt als Concept-Car zu sehen ist.

Zetsches S-Klasse kann schon ohne Fahrer

Der Spagat, den die Hersteller zwischen Umweltfreundlichkeit und PS-Protzerei vollführen, war schon auf der IAA 2011 zu beobachten. In diesem Jahr zeigt er sich nicht nur rhetorisch, sondern in der darüber hinaus unübersichtlich gewordenen Vielfalt an Modellen, Variationen und Ausstattungsdetails. Die automobilen Spielarten sind den Kundenwünschen geschuldet, die immer differenzierter erfüllt werden können und müssen.

Einen Höhepunkt der IAA, deren zweiter Schwerpunkt neben der Elektromobilität die Vernetzung und elektronische Aufrüstung des Autos ist, lieferte Mercedes-Chef Zetsche. Er ließ sich mit einer autonom fahrenden S-Klasse auf die Bühne chauffieren, deren Fahrersitz leer blieb. Der seriennahe S 500 Intelligent Drive hatte vor der Messe die 103 Kilometer lange Strecke von Mannheim nach Pforzheim geschafft, ohne dass ein Fahrer Lenkrad oder Gas- und Bremspedal bedienen musste. „Er hat den Chauffeur gleich eingebaut“, freute sich Zetsche. Eine Auto-Vision, bis zu deren Verwirklichung wohl noch einige Jahre (und Gesetzgebungsverfahren) vergehen werden.

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