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Extreme Wetterlagen wie im vergangenen Sommer werden häufiger. Politiker fordern eine Pflichtversicherung.

© dpa

Elementarschäden: Kein Schutz vor Katastrophen

Nur ein Drittel der Hausbesitzer ist gegen Elementarschäden versichert. Jetzt erwägt die Politik eine Pflicht.

Berlin - Die Sonne soll scheinen und warm soll es werden, wenn sich die Justizminister der Länder und ihr Bundeskollege Heiko Maas (SPD) am Mittwoch auf Rügen treffen. Kein Vergleich mit dem Sommer 2013, als tagelanger Regen Donau, Elbe und Saale über die Ufer treten ließ. Zehntausende Häuser standen damals im Wasser, Straßen waren überflutet, Bahnen fuhren nicht und die Bauern konnten ihre Kartoffel- und Erdbeerernte abschreiben. Vor allem im Süden und Osten Deutschlands richtete die Flut verheerende Schäden an, rund sieben Milliarden Euro sollen es sein. Ganz genau weiß man das noch immer nicht – ein Jahr danach. Viele Opfer haben nämlich bis heute keinen Antrag auf Entschädigung gestellt – weil sie die Formulare nicht verstehen oder mangels Internetverbindung gar nicht erst an die Vordrucke herankommen, sagen Hilfsorganisationen. Viele würden die staatliche Hilfe aber auch ausschlagen, weil sie Angst vor späteren Rückforderungen hätten, sollten sich die Ansprüche als unbegründet erweisen.

Von den acht Milliarden Euro, die Bund und Länder seinerzeit zur Verfügung gestellt haben, sind daher bislang nur 200 Millionen Euro an Privatleute und Unternehmer geflossen. Deutlich mehr – nämlich 1,8 Milliarden Euro – haben die Versicherungen gezahlt. Das Problem: Das Geld bekommen nur wenige. Nur rund ein Drittel der Hausbesitzer ist gegen Elementarschäden wie Überschwemmungen, Starkregen, Erdbeben oder Vulkanausbrüche versichert. Zu wenig, findet Maas. „Der Versicherungsschutz gegen Naturgefahren muss gestärkt werden“, sagte der Minister dem Tagesspiegel. „Eine möglichst große Verbreitung von Elementarschadensversicherungen ist wünschenswert.“

Um das zu erreichen, diskutieren die Minister bei ihrem Treffen am Mittwoch über ein Thema, das nach jedem Hochwasser aufschwappt: die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Die gab es früher schon mal in Baden-Württemberg, auch in den alten DDR-Versicherungen war ein Elementarschadenschutz enthalten. Doch das ist Vergangenheit. Heute müssen Hausbesitzer, die sich gegen Überschwemmungen schützen wollen, eine Zusatzversicherung zu ihrer Wohngebäudepolice abschließen. Viele tun das nicht – weil ihnen die Prämien zu hoch sind, sie keine Gefahr für ihr Hab und Gut sehen oder weil sie glauben, dass notfalls doch wieder der Staat einspringt.

Doch der will nicht mehr. Deshalb haben Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Pflichtversicherung für alle Hausbesitzer zu prüfen – egal, ob sie am Fluss, auf dem Berg, auf dem Land oder in der Stadt wohnen. Seit Monaten beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe der Länder mit dem Thema, am Mittwoch gibt es einen Zwischenbericht.

„Für den Hochwasserbereich können Versicherungslösungen Teil eines Gesamtkonzeptes sein, das gleichzeitig mögliche Schäden verringern und die Anreize zur Eigenvorsorge stärken muss“, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks dem Tagesspiegel. Allerdings müsse man sich zunächst Klarheit über die rechtlichen, auch die verfassungsrechtlichen Bedingungen verschaffen, meint die SPD-Politikerin. Eine Pflichtversicherung wäre nämlich ein Eingriff in die Freiheit der Bürger. „Eine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtversicherung birgt nicht unerhebliche rechtliche Probleme und Risiken“, warnt daher auch Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU). Die seien bislang noch nicht überzeugend gelöst. Auch die Versicherungswirtschaft ist skeptisch. „Wir haben große Bedenken“, betont Verbandspräsident Alexander Erdland. Er warnt vor hohen Versicherungsbeiträgen, wenn jeder versichert werden müsste – auch diejenigen, die zum Beispiel nah am Wasser gebaut haben.

Bundesjustizminister Maas hört das nicht gern. „Eine Pflichtversicherung nutzt nur, wenn sie auch bezahlbar bleibt“, beteuert der Sozialdemokrat. Zudem sollten die Versicherten nicht gezwungen werden, so hohe Selbstbehalte vereinbaren zu müssen, dass sie im Fall eines Schadens einen erheblichen Teil selbst tragen müssten, gibt Maas den Konstrukteuren einer Pflichtversicherung mit auf den Weg. Seine Parteifreundin und Kabinettskollegin Hendricks sieht die Versicherung ohnedies nur als Teil eines Gesamtpakets. Sie will Hochwasser verhindern – über den Bau von Poldern, die Rückverlegung von Deichen, die Renaturierung von Auen. „Wir müssen Schwachstellen beseitigen, wo ein sehr hohes Schadenspotenzial droht“, sagte Hendricks auf Anfrage.

Aber nicht nur die Länder, auch den einzelnen Bürger will die Ministerin stärker in die Pflicht nehmen. Man müsse darüber nachdenken, inwieweit die Eigenvorsorge zur Voraussetzung von Wiederaufbauhilfen gemacht werde, gibt Hendricks zu bedenken. Außerdem solle man überlegen, ob und in welchem Maße man die Beiträge für Versicherungen an Maßnahmen der Eigenvorsorge knüpfen kann. Auf die Minister wartet daher am Mittwoch eine Flut – dieses Mal aber nur von Fragen. Heike Jahberg

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