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Emilia Romagna: Im Land der Motoren

Die Emilia Romagna steht für Sportwagen. Aber das ist längst nicht alles.

Die Wirtschaftskrise der letzten Jahre hat das Bild Italiens verzerrt. Oft wird dabei vergessen, dass Italien nach Deutschland und Frankreich immer noch die drittgrößte Wirtschaftsnation Europas ist. Selbst wenn der Süden des Landes von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Stillstand gezeichnet sein sollte, Norditalien gehört ökonomisch zu den stärksten Regionen der EU und würde, für sich genommen, zahlreiche Landstriche Deutschlands, gemessen am Bruttosozialprodukt, hinter sich lassen.

Die Emilia Romagna, die sich von der Adriaküste entlang der Po-Ebene bis zum Piemont im Westen erstreckt, ist eine der Schaltzentralen der italienischen Wirtschaft. Im Jahr 2012 lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf um 27,7 Prozent über dem Durchschnitt Italiens. Im Vergleich mit dem kaufkraftbereinigten Durchschnitt der 27 EU-Staaten liegt die Region auf Augenhöhe mit Nordrhein-Westfalen.

Bologna als Kapitale ist nicht nur Standort der ältesten Universität Europas (1088 n. Chr. gegründet), sondern ist auch drittreichste Stadt Italiens. Die rund 4,4 Millionen Einwohner der Region sind dabei weit weniger vom Tourismus abhängig als andere Provinzen Italiens. Drei Viertel der Touristen stammen aus dem eigenen Land. Rückgrat der wirtschaftlichen Stärke ist vielmehr der breit aufgestellte industrielle Sektor. Die Emilia Romagna ist Werkbank und Hightechschmiede Italiens. Und sie ist „Terra di motori“, das Land der Motoren.

Modena, Bologna und Maranello: das Dreieck der Supersportwagen

Ferrari, Maserati und Lamborghini – diese Namen klingen in der Autoindustrie wie Vivaldi und Verdi in der klassischen Musik. Mehr noch, sie gehören zur Spitze des Automobilbaus, Virtuosen ihrer Zunft, die unvergessliche Werke geschaffen haben. Sie sind Teil der italienischen Kultur und Aushängeschilder der Nation. Es ist kein Zufall, dass sich zwischen Modena, Bologna und Maranello das Dreieck der Supersportwagen befindet. Legendär ist der ewige Wettkampf zwischen Ferrari und Maserati um die besten und schnellsten Autos.

Enzo Ferrari selbst wollte den perfekten Sportwagen bauen, als er Alfa Romeo, für die er einst Fahrer und später Motorsportchef war, verließ. Auch Horacio Pagani arbeitete bei Ferrari und Lamborghini, bevor er 1992 selbst eine Sportwagenschmiede gründete. Einen ähnlichen Wettkampf lieferten sich die Bologneser Firmen Ducati und Moto Morini: Ein Wettbewerb um das beste und schnellste Motorrad, ein Kampf der Ingenieure, der mit größtem Ehrgeiz geführt wurde.

Massimo Tamburini etwa, der im April dieses Jahres verstarb, gründete mit Valerio Bianchi und Giuseppe Morri 1973 die Marke Bimota, weil er auf einem japanischen Motorrad stürzte. Er wollte zeigen, dass er es besser kann. Später konstruierte er für Cagiva, Ducati und MV Augusta Legenden auf zwei Rädern. Heute sind die Edelschmieden für Sportwagen und Motorräder im Zuge der industriellen Konzentration unter die Dächer verschiedener Konzerne geschlüpft. Lamborghini und Ducati etwa gehören zum deutschen Audi-Konzern, Maserati und Ferrari sind beide unter das Dach von Fiat geschlüpft. Dem Mythos und der hohen Ingenieurskunst, die in der Emilia Romagna gepflegt wird, schadete das bisher nicht.

Die Wirtschaftskrise hat tiefe Spuren hinterlassen

Wenngleich solche Namen italienische Industriegeschichte geschrieben haben, die Emilia Romagna hat noch weit mehr zu bieten als PS-starke Autos und Motorräder. Bekannt ist die Region auch für hochwertige landwirtschaftliche Produkte wie Parmaschinken, Parmesankäse oder Balsamico-Essig aus Modena. Der stärkste industrielle Sektor hingegen ist der Maschinenbau, noch vor der Nahrungsmittel- und der Automobilindustrie. Hier stechen besonders die Hersteller von Verpackungsmaschinen hervor.

Unter den 170 Unternehmen des Sektors gehören Firmen wie Sacmi, IMA oder die Marchesini Group zu den weltweit führenden Unternehmen der Branche. Alleine dieser Bereich beschäftigt rund 13 000 Mitarbeiter, vornehmlich in und um Bologna.

Die anhaltende Wirtschaftskrise ist jedoch auch an der wirtschaftlich starken Emilia Romagna nicht spurlos vorbeigegangen. Bis 2008 war die Region mit Arbeitslosenquoten von rund drei Prozent nahe an der Vollbeschäftigung. Im ersten Quartal 2014 waren hingegen 9,7 Prozent auf der Suche nach Arbeit. Hier spielt allerdings der Zuzug aus anderen Regionen und dem Ausland eine Rolle. Die Wirtschaftskraft der Emilia Romagna basiert hingegen auf zuverlässigen, alteingesessenen Firmen und der Innovationskraft der Menschen.

Es ist dieser spezielle Unternehmergeist, dieses Streben nach Perfektion, das den Menschen dort eigen ist. Sie haben nicht nur schöne und schnelle Fahrzeuge gebaut, sondern auch ein wirtschaftliches Fundament geschaffen, das selbst solch schweren Krisen standhalten kann.

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