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Wirtschaft: Ende ohne Schrecken

Schweren Herzens beendet das Düsseldorfer Gericht das Verfahren – ihm ist die Zahlung der Angeklagten zu gering

3,2 Millionen Euro

1,5 Millionen Euro

1,0 Millionen Euro

60 000 Euro

30 000 Euro

12 500 Euro

Düsseldorf - Am Ende waren sie nur noch freundlich zueinander. Selbst Klaus Esser geht auf die Staatsanwälte zu und schüttelt ihnen die Hände; dabei lächeln die beiden Ankläger so glücklich wie nie zuvor in diesem Verfahren. Plötzlich scheinen alle Verletzungen vergessen, die sie sich in den zurückliegenden sechs Jahren zugefügt haben. Dabei hatten die Düsseldorfer Staatsanwälte lange zu beweisen versucht, dass Ex-Mannesmann- Chef Klaus Esser die 16 Millionen Euro Prämie Anfang 2000 nicht nur zu Unrecht genommen hat – sie waren sogar überzeugt, dass er sich seinen Widerstand gegen die Übernahme des Konzerns durch Vodafone hat abkaufen lassen. Esser wiederum hat die Attacken nie verwunden, er zog gar vor Gericht, um die Ermittlungen gegen ihn zu stoppen.

Das alles ist in diesem Moment weit weg, die Anspannung gewichen. Selbst die Richter mögen sich dieser Stimmung nicht verweigern. Nachdem sie der Einstellung des Verfahrens gegen die Zahlung von insgesamt 5,8 Millionen Euro zugestimmt haben, erliegen sie der Charmeoffensive der Angeklagten. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann verabschiedet sich von allen persönlich; erst danach verschwindet er – wie stets ohne öffentliches Wort – durch die Hintertür.

Noch während sich die Damen und Herren in Saal 111 des Gerichtsgebäudes gegenseitig beglückwünschen,schickt die Bank eine Mitteilung, in der sie sich ausgiebig darüber freut, dass der Vorstandsvorsitzende auch weiterhin als nicht vorbestraft gilt. Wenige Stunden zuvor hatten Meldungen die Szene aufgeschreckt, die Einstellung könne noch platzen. Es gab Gerüchte, ein Schöffe könnte sich querstellen. Die beiden Helfer haben das gleiche Stimmrecht wie die drei Berufsrichter, bei einer Differenz unter den Juristen hätten sie den Ausschlag gegeben. Klar war, dass die Öffentlichkeit bei einer Einstellung des Verfahrens fragen würde, ob die Zahlung von 5,8 Millionen Euro angesichts eines möglichen Schadens von 60 Millionen Euro angemessen sei.

Das Gericht lässt sich zwar nicht in die Karten schauen. Doch der Vorsitzende Richter Stefan Drees lässt Zweifel erkennen. „Soweit die Berufsrichter an den Vorgesprächen beteiligt waren, haben sie deutlich gemacht, dass sie eine vorläufige Einstellung des Verfahrens nicht anregen würden.“ Das Gericht hätte also den Prozess weitergeführt, hätten sich Ankläger und Verteidiger nicht auf das Ende geeinigt. Nun aber ist das Gericht zum gleichen Schluss wie die übrigen Beteiligten gekommen. „Den Angeklagten wird lediglich vorgeworfen, Vergehen begangen zu haben, also solche Straftaten, für deren Grundtatbestand das Gesetz eine Mindeststrafe unter einem Jahr Freiheitsentzug oder eine Geldstrafe vorsieht“, bemüht sich Drees zu erklären.

Weil alle Taten sechs Jahre zurückliegen, die individuelle Schuld angesichts der unsicheren Rechtsmaterie nur schwer zu bestimmen sein würde, hat die Kammer den Weg frei gemacht. Dabei hat den Angeklagten - Ironie des Schicksals – das von ihnen heftig kritisierte Urteil des Bundesgerichtshofs geholfen. „Für die Kammer ist entscheidend, dass bedeutsame Rechtsfragen durch das Urteil des BGH vom 21. Dezember 2005 beantwortet sind“, ruft Drees aus. Plötzlich sehen die Angeklagten den harten Spruch des Bundesgerichtshofs in neuem Licht.

Die Karlsruher Richter hatten festgestellt, dass die Angeklagten ihre Vermögensbetreuungspflichten missachtet und sich wie Gutsherren verhalten hätten, obwohl sie allenfalls Vermögensverwalter gewesen seien.

Dabei ist dem Gericht die geringe Auflage für Ackermann fast peinlich – doch das Gesetz schreibt einen maximalen Tagessatz von 5000 Euro vor. Dass die Zahlungen von vielen als zu gering gewertet werden, hat auch das Gericht erkannt. Richter Drees entschuldigt sich praktisch für die Abstufung. „Die Begrenzung des einzelnen Tagessatzes mag angesichts der heute erzielten Spitzenverdienste unverständlich erscheinen, sie ist aber geltendes Recht.“

Kritiker überzeugt das allerdings nicht. „Klaus Esser hat von seiner Beute 90 Prozent behalten“, empört sich Martin Sorg, einer der beiden Anwälte, die das Verfahren mit ihrer Anzeige ins Rollen gebracht hatten. Esser hat 16 Millionen Euro erhalten, jetzt muss er 1,5 Millionen bezahlen. Unverständlich ist für Sorg auch, dass Vodafone das viele Geld bislang nicht zurückgefordert hat, obwohl das rechtlich möglich wäre.

Vielleicht passiert das auf der nächsten Hauptversammlung. Dann könnte Klaus Esser das Lächeln wieder vergehen.

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