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Wirtschaft: Endet der Börsen-Boom mit Schröder?

Die Aussicht auf einen Regierungswechsel irritiert die Börsianer noch nicht / Aufschwung seit 1982VON HERMANN KUTZER (HB)Auf der Suche nach Risikofaktoren für den deutschen Kapitalmarkt kommt man an der Politik nicht vorbei.Denn trotz der bedrückenden Arbeitslosigkeit erlauben es die gesamtwirtschaftlichen und monetären Faktoren, daß Finanzanalysten von einer "Traumkonstellation" für die Börse sprechen: mäßiges Konjunkturtempo, aber kräftig wachsende Unternehmensgewinne, niedrige Zinsen und Teuerungsraten, stabile Wechselkurse, hohe Liquidität, Euro-Phantasie, fehlende Anlagealternativen.

Die Aussicht auf einen Regierungswechsel irritiert die Börsianer noch nicht / Aufschwung seit 1982VON HERMANN KUTZER (HB)Auf der Suche nach Risikofaktoren für den deutschen Kapitalmarkt kommt man an der Politik nicht vorbei.Denn trotz der bedrückenden Arbeitslosigkeit erlauben es die gesamtwirtschaftlichen und monetären Faktoren, daß Finanzanalysten von einer "Traumkonstellation" für die Börse sprechen: mäßiges Konjunkturtempo, aber kräftig wachsende Unternehmensgewinne, niedrige Zinsen und Teuerungsraten, stabile Wechselkurse, hohe Liquidität, Euro-Phantasie, fehlende Anlagealternativen.Selbst die Aussicht auf einen Machtwechsel in Bonn bremst den Hausse-Zug nicht.Noch nicht. CDU/CSU und FDP sind traditionell die Parteien von Wirtschaft und Börse, doch wer ist mit deren Performance noch zufrieden? Andererseits wünschen sich die Aktienhändler auch keine Sozis an der Macht, obwohl deren Kanzlerkandidat Gerhard Schröder hohe Wertschätzung genießt.Mehrheitlich wird sogar ein rot-grünes Bündnis befürchtet, und dennoch feiert der Aktienmarkt immer neue Dax-Rekorde. Dafür gibt es einen plausiblen Grund: Die Börse hat gar keine Zeit, sich mit der leidigen Politik zu beschäftigen, denn es herrscht ein weltweiter "Anlagenotstand".Eine weitere Erklärung liefern Analysten von Sal.Oppenheim: "Ausschlaggebend für die Märkte ist nicht so sehr die jeweilige Parteienkonstellation, sondern sind vielmehr die wirtschaftspolitischen Konsequenzen, insbesondere im Hinblick auf Zinsen und Gewinne." Eben darüber herrscht aber noch keine Klarheit, unabhängig vom Wahlausgang. Daß sich die Börse von der Aussicht auf einen Regierungswechsel nicht irritieren läßt, sollte also vom Anleger nicht fehlinterpretiert werden.Leider wird zu häufig "Politische Börsen haben kurze Beine" als alte Börsenweisheit zitiert und dabei vergessen zu erwähnen, daß die Politik langfristig enormen Einfluß auf das Geschehen an den Kapitalmärkten nehmen kann.Deshalb sollte man sich des Ursprungs der Hausse erinnern. Nach den herben wirtschaftlichen Enttäuschungen und weltpolitischen Turbulenzen in den siebziger Jahren, begleitet von einer ausgeprägten Börsenflaute, setzten neue Leitfiguren in der westlichen Politik auch neue wirtschaftspolitische Signale, insbesondere: Vorrang für die Privatwirtschaft, Verringerung der Steuerlast.Nach Margaret Thatcher (Großbritannien, 1979) und Ronald Reagan (USA, 1980) erhielt auch Deutschland durch Helmut Kohl einen neuen Regierungschef.Und mit der Wachablösung des sozial-liberalen Bündnisses durch die konservativ-liberale Koalition im Frühherbst 1982 begann auch der lange, ungeahnte Höhenflug der deutschen Aktienkurse.Der Börsen-Boom geht also bereits ins 16.Jahr.Politische Entwicklungen müssen nicht Auslöser oder Antriebskraft von Börsentrends sein; politische Richtungswechsel wirken oft aber entscheidend mit. Damals war die Mitwirkung der Politik offenkundig: "In der zweiten September-Hälfte, nach dem Zerfall der alten Regierung, kam der Kurszug wieder auf Touren", vermerkte die Commerzbank in ihrer Broschüre "Rund um die Börse 1982".Vor allem "CDU-Titel" - gemeint waren Aktien der Bereiche Kraftwerksbau und Kommunikationstechnik - hätten im Mittelpunkt es Anlegerinteresses gestanden.Aber erst ein Jahr später war der Chronist bereit, die "Wende" zu würdigen und festzustellen, daß der deutsche Aktienmarkt nun aus seinem langjährigen Schattendasein herausgetreten sei.Gleichzeitig konnte der Beobachter unterstreichen, daß die konjunkturelle von der politischen Trendwende begleitet worden sei: "An den Börsen erwartete man nicht nur eine prinzipielle Richtungsänderung der Wirtschaftspolitik - nach dem Grundsatz weniger Staat, mehr Markt - und eine energische Drosselung des staatlichen Kreditbedarfs, sondern auch spezielle Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapitalbeschaffung." Ähnlich kommentierte am Jahresende 1983 die Bethmann Bank das Gewicht des Votums vom 6.März (Regierung Kohl durch Wahl bestätigt) für die Börse: "Die Entscheidung der Wähler für eine Regierung, die mehr als bisher die marktwirtschaftlichen Elemente hervorkehren würde, ließ die Kurse weiter nach oben gehen." Die damalige Renaissance der Aktie läßt sich durch weitere Kenndaten belegen, so etwa durch das Anschwellen der Wertpapierumsätze, die zunehmenden Engagements ausländischer Investoren und nicht zuletzt durch eine "Wende" auf dem deutschen Kurszettel, denn dieser erhielt von nun an nach Jahren der Auszehrung frisches Blut durch neue Emittenten.Erstmals seit langem feierte man neue Börsenstars wie Wella, Porsche und Nixdorf.Klar wird die Dimension des Börsen-Booms durch die Kursentwicklung gemessen am Dax, der zwar erst seit 1987 veröffentlicht wird, aber auch rückwärts gerechnet vorliegt. Danach beendete der Dax das Wendejahr 1982 bei 553 Punkten - das aktuelle Hoch liegt bei gut 5400! Ende 1983 war der Index weiter auf 774 vorgerückt.Und erst in diesem Jahr wurden auch die bisherigen historischen Höchststände aus den 60er Jahren übertroffen.Der Dax nahm den 1000er im Jahr 1985.Heute gibt es Optimisten, die bereits 10 000 Punkte am Horizont zu erkennen glauben.

HERMANN KUTZER (HB)

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