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Bunte Mischung. Auf deutschen Balkonen werden neben Blumen immer mehr Kräuter gepflanzt.

© Friedberg - Fotolia

Endlich Frühling: Wie das Geschäft der Gärtnereien in Schwung kommt

Produzenten und Händler klagen über den schlechtesten Saisonstart seit langem. Doch mit der Temperatur steigt die Nachfrage.

Ingrid Ratmann läuft durch die bunten Blumenreihen, inspiziert Töpfchen für Töpfchen und packt den Einkaufswagen voll. Sie war lange nicht hier, sagt sie. „Ich hatte einfach noch keine Lust, Blumen zu kaufen, und der Boden war ja auch noch gefroren.“ Zu Ostern hatte kaum jemand Interesse an Frühjahrsblühern wie Krokussen, Stiefmütterchen oder Osterglocken. Deshalb lassen sie jetzt in der Gärtnerei Rothe in Zehlendorf die Köpfe hängen. Geschäftsführer Lutz Grille hat sie stark reduziert, um sie überhaupt noch loszuwerden und Platz zu schaffen. „Es war der schlechteste März, den wir je hatten. Der Umsatzeinbruch war schlimm. Wegen Kälte und Frost war bis Anfang April kein Kunde zu sehen“, sagt er. Die massiven Einbußen spürt die ganze Branche, heißt es beim Bundesverband Zierpflanzen. Die Auswirkungen auf das Gesamtjahr seien allerdings noch nicht abschätzbar.

Das schlechte Geschäft mit den Frühblühern trifft die deutschen Gärtner hart, denn dreiviertel der Beet- und Balkonpflanzen produzieren sie selbst. Der Rest kommt aus den Niederlanden, Dänemark, Italien, Belgien und Spanien. 2012 wurden in Deutschland rund 1,2 Milliarden Beet- und Balkonpflanzen sowie Stauden als Fertigware erzeugt – auf gut 6700 Hektar. Die größten Anbauflächen sind in Nordrhein-Westfalen (2900 Hektar), gefolgt von Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern.

Die in Berlin und Brandenburg produzierten Beet- und Balkonpflanzen werden meist direkt in der Gärtnerei vor Ort verkauft. Dadurch bleibt den Pflanzen ein längerer Transportweg erspart. Das sei ein Garant dafür, dass die Pflanzen später gut wachsen, meint Margarete Löffler vom Gartenbauverband Berlin Brandenburg. Beim Gärtner vor Ort gebe es außerdem größere und weiter entwickelte Pflanzen als beispielsweise im Baumarkt oder beim Discounter. „Weil die Pflanzen größer sind, leben sie länger und sind robuster.“

Wer seine Pflanzen nicht vor Ort kaufen will, kann sie mittlerweile auch im Internet bestellen. Seit zwei Jahren führt der Verband deutscher Garten-Center einen gemeinschaftlichen Online-Shop, mit mittlerweile mehr als 20 000 Kunden. Vor allem in Großstädten und in sehr abgelegenen Regionen werde das gern genutzt. Die Blumen und die schweren Pakete mit Erde bringt dann der Postbote nach Hause. Insgesamt machen das aber erst wenige Kunden. Der Verband schätzt, dass bisher nur etwa drei Prozent des Umsatzes von Beet- und Balkonpflanzen in Deutschland online erwirtschaftet wird. Verbandsgeschäftsführer Peter Botz rechnet aber mit einem starken Zuwachs in den kommenden Jahren: Schon 2015 soll der Online-Pflanzenhandel rund zehn Prozent des Umsatzes ausmachen. Auch die Gartencenter-Gruppe Dehner setzt auf den Online-Handel und startete diese Woche ihren Shop im Netz.

In Zehlendorf, bei der Gärtnerei Rothe, ging das Geschäft in dieser Woche wieder richtig los. Die Gewächshäuser sind voll mit Blumen, in den Regalen stehen Übertöpfe jeder Art und Größe und an den Kassen bildeten sich lange Schlangen. Die Deutschen kaufen gerne Gartenpflanzen: 3,8 Milliarden Euro Umsatz verzeichnet der Zentralverband Gartenbau jährlich. Jeder Deutsche gibt im Schnitt 24 Euro pro Jahr für Beet- und Balkonpflanzen aus. Am liebsten kauft er Geranien und Sommerheide. Unter den Top Ten sind aber auch Stiefmütterchen, Petunien, Primeln und Chrysanthemen.

Doch immer häufiger wollen Kunden neben den Zier- auch Nutzpflanzen auf dem Balkon. „Es soll nicht nur schön aussehen, sondern auch gut schmecken“, stellt Gärtner Grille fest. Obstbäume und Gemüse, vor allem auch Küchenkräuter wie Basilikum, Rosmarin oder Petersilie verkauft er in den letzten Jahren immer mehr. Die großen Kräutertöpfe und andere Pflanzen, die hier nicht wachsen, kauft Grille auf dem Großmarkt oder beim Spezialisten ein. Um ein großes Sortiment anbieten zu können, und das erwarteten die Kunden, könne er sich nicht nur auf den eigenen Anbau beschränken.

Durch den schwierigen Jahresbeginn habe er im Moment finanziell allerdings wenig Spielraum, sagt er. So geht es vielen Betrieben in der Branche. Die Landwirtschaftliche Rentenbank vergibt wegen des kalten Frühjahrs Notkredite zur „Produktionssicherung“ an Gartenbaubetriebe. Grille müsse das zum Glück nicht in Anspruch nehmen, sagt er. „Ich habe die Hoffnung, den bisher verlorenen Umsatz in einer guten Saison, die sich bis in den Sommer zieht, ausgleichen zu können.“

Frederike Roser

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