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© Keystone

Energie: Biosprit macht hungrig

Nur wenige Tage vor dem G-8- Gipfel in Japan hat eine Studie der Weltbank über Ursachen der steigenden Lebensmittelpreise für Aufregung gesorgt. Demnach ist die Produktion von Biosprit für drei Viertel der Teuerung verantwortlich.

Berlin - Nach dem bislang noch unveröffentlichten Bericht, aus dem die britische Zeitung „Guardian“ am Freitag zitierte, hat die Produktion von Biosprit Nahrungsmittel weltweit um bis zu 75 Prozent verteuert – und damit wesentlich stärker, als bisher angenommen. Das sei das Ergebnis einer detaillierten Analyse des international anerkannten Volkswirts Don Mitchell und stehe im drastischen Widerspruch zu den Einschätzungen der USA, berichtete die Zeitung. Diese sähen die Lebensmittelteuerung durch Biosprit bei weniger als drei Prozent.

Der UN-Agrarorganisation FAO zufolge werden weltweit mehr als 850 Millionen Menschen nicht satt. Steigende Nahrungsmittelpreise haben nach Einschätzung von Hilfsorganisationen dazu geführt, dass zusätzlich etwa 100 Millionen hungern. Die Diskussion um das tatsächliche Ausmaß, das die Herstellung von Treibstoff aus Pflanzen an der Lebensmittelteuerung hat, wird nun durch die neue Weltbank-Studie zusätzlich angeheizt. Immerhin stehen die Agrarpreissteigerungen auf der Agenda der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G 8) bei ihrem Treffen im japanischen Toyako kommende Woche ganz oben. Befürworter eines weltweiten Moratoriums für die Erzeugung pflanzlicher Kraftstoffe könnten mit der Weltbank- Studie neue Munition erhalten.

Der Bericht widerspreche der Position von US-Präsident George Bush, der die Nahrungsmittelteuerung auf die höhere Nachfrage in Ländern wie China und Indien zurückführt. „Die rasante Erhöhung des Einkommens in Entwicklungsländern hat nicht zu einem starken Anstieg des weltweiten Verbrauchs von Getreide geführt und war nicht ausschlaggebend für die starken Preissteigerungen“, zitierte die Zeitung aus der Weltbank-Studie.

Die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigten sich davon überrascht. „Wir gehen weiter davon aus, dass für die steigenden Nahrungsmittelpreise vor allem die Integration der Schwellenländer und damit die zunehmende Nachfrage nach höherwertigen Lebensmitteln sowie die steigenden Energiekosten verantwortlich sind“, sagte Christian Dreger, Leiter der DIW- Konjunkturabteilung, dem Tagesspiegel. Jedoch müsse man die „bestimmt seriöse Studie“ nun erst einmal abwarten.

Am kommenden Montag spielen die Agrartreibstoffe auch im Europäischen Parlament in Straßburg eine Rolle. Im Umweltausschuss soll ein Antrag der Grünen diskutiert werden, die EU solle ihr Ziel, bis zum Jahr 2020 herkömmlichen Treibstoffen zehn Prozent Biosprit beimischen, zurücknehmen. Grund: unter anderem die globale Nahrungsmittelkrise sowie die enttäuschende Klimabilanz. Hilfsorganisationen wie Oxfam fordern das schon lange. „Deutsches Biodiesel wird zwar auch aus deutschem Rapsöl hergestellt. Aber da das nicht reicht, wird Palmöl importiert, für das Regenwälder abgeholzt und Feuchtgebiete trockengelegt werden“, warnt Jan Kowalzig, Klima-Experte bei Oxfam Deutschland. „Diese indirekten Effekte lassen die Parlamentarier unter den Tisch fallen.“ Die neue Weltbank-Studie müsse daher unbedingt schnell veröffentlicht werden.

Auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul fordert ein Umdenken. „Die EU und die USA sollten bei den Beimischungszielen ihre Konsequenzen ziehen“, sagte ein Sprecher. Allerdings: Die Weltbank-Studie liege dem Ministerium bisher noch nicht vor.

Juliane Schäuble

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