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Energie-Konflikt: Gasstreit wirkt sich auf Westeuropa aus

Der Stopp der russischen Gaslieferungen an die Ukraine wirkt sich auch auf andere Länder aus. Der Essener Gas-Importeur Eon Ruhrgas stellte erste Liefereinschränkungen fest.

Moskau/Kiew/Berlin - «Wir bekommen eindeutig weniger als vertraglich vorgesehen, aber wir können das noch nicht genau beziffern», sagte Ruhrgas-Sprecherin Tatjana Dreyer am Montag. Österreich, Ungarn, Rumänien, Polen und Frankreich meldeten Einbußen bis zu einem Drittel der vertraglich vereinbarten Gasmenge.

Der vom Kreml kontrollierte Konzern Gasprom verlangt von der Ukraine seit dem 1. Januar 2006 einen fast fünf Mal höheren Gaspreis. Weil Kiew sich einem entsprechenden Vertragsabschluss verweigerte, drehte Gasprom den Ukrainern am Neujahrsmorgen das Gas ab.

Gasprom reagiert auf Klagen

Der russische Energieversorger reagierte noch am Montag auf die Klagen über Lieferverluste mit einer Steigerung des Gasexports in Richtung Westen. Es seien weitere 95 Millionen Kubikmeter in die ukrainischen Pipelines gepumpt worden, teilte der Gasprom-Sprecher Sergej Kuprijanow nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax mit. Die Menge solle jenes Gas ersetzen, dass die Ukraine nach Gasprom-Sicht illegal entwendet habe. Vize-Konzernchef Alexander Medwedew sicherte seinen Kunden in West- und Mitteleuropa ab Dienstagabend die volle Versorgungssicherheit zu.

Gasprom warf der Führung in Kiew den Diebstahl von 100 Millionen Kubikmeter Gas vor. Das Gas sei allein für die Kunden in West- und Mitteleuropa bestimmt gewesen. Die ukrainische Regierung wies die Anschuldigung zurück und betonte, man komme derzeit mit eigenen Reserven und Gas aus Turkmenien aus.

Die US-Regierung bedauerte die Einstellung der Erdgaslieferungen an die Ukraine. Der «plötzliche Schritt schafft Unsicherheit im Energiesektor der Region», sagte ein Außenamtssprecher in Washington. Es stelle sich zudem die Frage, ob mit Hilfe der Energieversorgung missbräuchlich politischer Druck ausgeübt werden soll.

Bundesregierung sieht Versorgung gesichert

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) stellte angesichts des Gasstreits eine Steigerung des Anteils russischen Gases am deutschen Energiemix in Frage. Deutschland bezieht nach Angaben des Wirtschaftsministeriums 36 Prozent seiner Gasimporte aus Russland. «Das sollte eigentlich gesteigert werden. Es kann aber nur gesteigert werden, wenn wir wissen, dass die Lieferungen aus dem Osten zuverlässig sind», sagte Glos. Die Bundesregierung sieht die Gasversorgung in Deutschland aber gesichert. Sie forderte Russland und die Ukraine auf, ihren Streit beizulegen. Oppositionspolitiker warfen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu große Zurückhaltung vor.

Auch das Pariser Außenministerium appellierte an Russland und die Ukraine, die Gasgespräche «so rasch wie möglich» mit dem Ziel einer für alle Seiten akzeptablen Lösung wieder aufzunehmen. Seit der Nacht zum Montag kommt 25 bis 30 Prozent weniger Gas aus Russland in Frankreich an als vertraglich vereinbart.

EU zur Vermittlung bereit

Die Europäische Union ist zur Vermittlung im Erdgasstreit bereit. Russland und die Ukraine hätten der EU «versichert, das ihnen Mögliche zu tun, damit es nicht zu einer Unterbrechung der Gaslieferungen an EU-Staaten kommt», sagte eine EU-Diplomatin.

Österreich meldete einen Rückgang der über die Ukraine kommenden Gasmenge um etwa ein Drittel. Engpässe bei Großkunden seien nicht völlig auszuschließen, falls die Liefermenge weiter verringert und der Winter kalt werde, teilte der größte österreichische Energiekonzern OMV mit. In Ungarn stellten mehrere Elektrizitätswerke nach dem Rückgang der Lieferungen von russischem Erdgas um 25 Prozent auf Heizöl um. Polen meldete einen leichten Druckabfall und will nach Angaben von Wirtschaftsminister Piotr Wozniak gegebenenfalls versuchen, die über Weißrussland laufenden Erdgasimporte aus Russland zu steigern. Der Umfang der Gaslieferungen aus Russland nach Rumänien sank um 25 Prozent. Wirtschaftsminister Codrut Seres berief für Dienstag eine Krisensitzung ein.

Die EU sollte nach Ansicht des EU-Parlamentariers Elmar Brok (CDU) mit einem gemeinsamen Energie-Konzept auf den Gasstreit reagieren. «Hier wird die Energie als politische Waffe eingesetzt», sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europa-Parlaments zur Rolle von Staatspräsident Wladimir Putin in dem Streit. (tso/dpa)

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