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Energie-Streit: Am Öl-Tropf Russlands

Der Transit russischer Öl-Lieferungen durch Weißrussland ist weiter blockiert. Inzwischen sind auch Ungarn und die Slowakei vom Lieferstopp betroffen.

Berlin/Moskau - Für ein Ende der Blockade der wichtigsten Öl-Pipeline von Russland nach Westeuropa hat sich am Dienstag zunächst keine Lösung abgezeichnet. Aus Weißrussland, der Slowakei und Ungarn trafen in der Nacht übereinstimmende Berichte über den Stopp der Öl-Lieferungen ein. Russland hielt an seiner Darstellung fest, der Lieferstopp sei dadurch begründet, dass Weißrussland widerrechtlich Öl aus dem Transit für eigene Zwecke abgezweigt habe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies darauf hin, dass derzeit über ein Abkommen zwischen der EU und Russland zur Energieversorgung verhandelt werde und dass sie darüber bei einer für den 21. Januar geplanten Reise nach Moskau mit Russlands Präsident Wladimir Putin sprechen werde.

Ungarn habe am Montagabend nur die Hälfte der üblichen 22.000 Tonnen Rohöl aus Russland erhalten und stelle sich auf einen Lieferstopp in der Nacht ein, sagte Wirtschaftsminister Janos Koka in Budapest. In diesem Fall stehe eine "technische Reserve" zur Verfügung, die für 24 Stunden reiche; danach werde er das Anzapfen der strategischen Reserven des Landes gestatten. Auch die Eröl-Lieferungen in die Slowakei wurden unterbrochen. Seit dem Abend fließe kein russisches Öl mehr durch das südliche Netz der Pipeline "Druschba" (Freundschaft), sagte der Sprecher des slowakischen Wirtschaftsministeriums, Brano Zvara. Auch Tschechien bereitete sich auf eine Unterbrechung der Öl-Lieferungen vor, wie Industrieminister Martin Riman im Fernsehsender Nova ankündigte.

"Warnschuss" für die Bundesregierung

Deutsche Politiker forderten von Moskau Vertragstreue. "Man muss von Russland erwarten, dass es seine Konflikte mit Weißrussland so löst, dass nicht unbeteiligte Dritte betroffen sind", sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden (CDU), der "Berliner Zeitung". Umwelt-Staatssekretär Michael Müller (SPD) wertete die Blockade als "Warnschuss" für die Bundesregierung. Die Europäische Union müsse mit Russland "viel mehr Energieallianzen aufbauen", forderte Müller im Bayerischen Rundfunk. Bundeskanzlerin Merkel sprach sich dafür aus, das Problem durch ein Maßnahmenbündel zu entschärfen. So müsse Energie gespart und auf erneuerbare Energien gesetzt werden, sagte die Kanzlerin im ARD-Morgenmagazin. Zu beachten seien die Auswirkungen der Schließung von Atomkraftwerken.

Die Pipeline-Blockade löste eine neuerliche Debatte über den Atom-Ausstieg aus. "Deutschland braucht einen ausgewogenen Energiemix", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Katherina Reiche (CDU). "Dazu müssen wir den Anteil erneuerbarer Energien deutlich erhöhen, die Kernkraft gehört ebenfalls dazu." Dies wurde von SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber scharf zurückgewiesen. "Wer die Lieferengpässe beim Öl heranzieht, um die Kernenergie zu propagieren, ist nicht in der Lage, das Thema Energieversorgung intellektuell zu erfassen", sagte Kelber.

Gegenseitige Schuldzuweisung

Moskau machte Weißrussland für die Unterbrechung der Öl-Lieferungen durch die Pipeline "Druschba" verantwortlich. Weißrussland hatte als Reaktion auf Ölpreis-Erhöhungen zum 1. Januar seinerseits die Transitgebühren Richtung Westeuropa erhöht. Die russischen Transit-Erdöllieferungen über die Pipeline durch Weißrussland nach Deutschland, Polen und in die Ukraine wurden gestoppt. Das weißrussische Außenministerium kündigte die Entsendung einer eigenen Delegation nach Moskau an.

Vor dem aktuellen Öl-Streit hatte es zwischen Minsk und Moskau bereits Differenzen um die Gaslieferungen gegeben: Der staatliche russische Energieriese Gasprom hatte zum neuen Jahr den Gaspreis für Weißrussland mehr als verdoppelt. Zudem führte Russland eine Gebühr in Höhe von 180 Dollar (138 Euro) für jede nach Weißrussland exportierte Tonne Rohöl aus Russland ein. Die Regierung in Minsk reagierte mit einer Transitgebühr für gen Westen gepumptes russisches Öl. Transneft weigerte sich aber, diese Gebühr von umgerechnet 34 Euro pro Tonne zu bezahlen. (tso/AFP)

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