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Volle Kraft voraus. Forscher haben Verbundstoffe entwickelt, mit denen man noch größere und effizientere Windräder bauen kann – zum Beispiel für die Nordsee. Foto: ddp

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Energiebranche: Angst vor dem großen Rad

Bei den erneuerbaren Energien liegen die Deutschen noch gut im Rennen. Doch die Industrie muss aufpassen, dass sie ihren Vorsprung nicht verspielt, warnen Forscher.

Es dürfte sehr frustrierend sein für Deutschlands Spitzenforscher von der Fraunhofer Gesellschaft: Da entwickeln ihre Abteilungen immer wieder pfiffigste Produkte auf dem Energiesektor, aber die heimische Industrie scheut sich offenbar sehr oft, diese auch zur Marktreife zu bringen. Doch deutsche Unternehmen dürften trotz Wirtschaftskrise nicht die weichenstellenden Innovationen für die Leitmärkte der Zukunft verschlafen, warnte der Präsident der Münchner Fraunhofer-Gesellschaft (FhG), Hans-Jörg Bullinger, am Donnerstag in München. Sonst würden gute Startchancen bei Megatrends wie erneuerbare Energien oder Umwelttechnik leichtfertig verspielt.

Was er meint, macht die FhG als Europas führende Einrichtung für angewandte Forschung im eigenen Haus vor: Sie steigerte die Zahl der Stellen 2009 um 900 auf nun 17 150 Hightechjobs und gab 15 Prozent mehr Geld für Forschung aus. Ihr Etat erreichte den neuen Spitzenwert von gut 1,6 Milliarden Euro. Die Forscher um Bullinger sehen sich damit als Innovationsmotor der Republik.

Sie entwickeln derzeit im Schwerpunkt strom- und materialsparende Produkte und Verfahren sowie Kernkomponenten für Solarkraftwerke und andere Formen regenerativer Energien, die auf dem Sprung zur Marktreife sind. Vor allem auch der deutschen Kfz-Industrie will die FhG helfen. Bei der Autoherstellung lasse sich ein Drittel Energie und bei der Fertigung von Karosserien viel Material sparen, sagte Bullinger. Die Hälfte des Blechs für ein Chassis sei heute Abfall. Die FhG-Forscher bauen derzeit auch Prototypen für eine neue Generation von Hybrid- sowie Elektroautos und sagen Deutschland eine Aufholjagd in der dafür entscheidenden Batterietechnologie voraus. Hier geben Asiaten bislang den Ton an. Deutschland habe aber gute Chancen, bei einer zweiten Batteriegeneration mit vorne dabei zu sein, meinte Bullinger optimistisch.

Die größten Wachstumspotenziale für Deutschland lägen aber in der Wende hin zu regenerativ erzeugter Energie. Eine FhG-Studie taxiert das Stellenpotenzial im Greentech-Sektor hierzulande bis 2020 insgesamt auf bis zu 630 000 neue Arbeitsplätze, mehr als doppelt so viel wie derzeit.

Dazu müssten die Weltmarktanteile der heimischen Industrie, die etwa bei regenerativer Energieerzeugung fast ein Drittel betragen, erfolgreich verteidigt werden, stellte Bullinger klar. Auch in diesem Bereich geht die FhG mit gutem Beispiel voran. Ihre Forscher tüfteln an 200 Meter durchmessenden Rotoren für maritime Windkraftanlagen. Die FhG hält mit 41 Prozent auch den Weltrekord im Wirkungsgrad für Solarzellen und hat schon die 45 Prozent im Blick. Bei Biomasse forscht die FhG an Mikroalgen. Die versprechen im Vergleich zu Landpflanzen eine höhere Energieausbeute; sie konkurrieren nicht mit dem Anbau von Lebensmitteln und verarbeiten zudem den Klimakiller Kohlendioxid.

„Es wird gehen, über regenerative Energien alle Versorgungskapazitäten zu sichern“, versicherte Bullinger. Ein Schlüsselelement dazu hat FhG-Forscher Kurt Rohrig beigesteuert. Ihm ist es gelungen, 28 Wind-, Biomasse-, Solar- und Wasserkraftanlagen so zu schalten, dass sie unabhängig von Sonnenschein und Wind kontinuierlich Strom wie ein herkömmliches Großkraftwerk liefern.

Gute Ideen allein reichen aber nicht aus, bekräftigte Bullinger. So habe die FhG schon 2001 ein von Sonnenlicht betriebenes Solarhandy erfunden und es vergeblich Siemens angeboten. Der Weltkonzern hat seine Handyfertigung mittlerweile abgestoßen. Das Solarhandy wird jetzt von asiatischen Konzernen wie Samsung gebaut und auch in Europa verkauft.

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