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Keine Angst vor Kernenergie. Die Regierung will die Laufzeiten der Akw auf jeden Fall verlängern.

© dpa

Energiekonzept: Vier Szenarien – und jede Menge Streit

Die Laufzeiten für Atomkraftwerke sind die zentrale Variable im Energiekonzept der Regierung. Die Industrie fürchtet höhere Preise.

Berlin - Die Auseinandersetzung um die künftige Energieversorgung und den Klimaschutz kommt in die entscheidende Phase. Am heutigen Freitag erhalten Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) die Szenarien, auf deren Basis die Regierung bis Ende September ihr Energiekonzept entwickeln will.

Doch schon bevor die Gutachten vorliegen, werden Zweifel an ihrer Eignung und Aussagekraft laut. Aus der Wirtschaft gibt es derweil wieder Stimmen, die vor höheren Energiepreisen warnen. Und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert Bürokratieabbau: Mit Genehmigungszeiten von derzeit durchschnittlich zehn Jahren sei der erforderliche Bau neuer Stromnetze nicht möglich.

Drei Institute – Prognos, das Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln (EWI) und die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) – haben im Auftrag der Regierung vier Szenarien durchgerechnet, die sich im Wesentlichen durch die Dauer einer Laufzeitverlängerung für Akw unterscheiden. Diese vier Szenarien sollten mit einem Referenzszenario verglichen werden, „welches die derzeitige Klima- und Energiepolitik fortschreibt“ und keine Laufzeitverlängerung vorsieht. Tatsächlich sollen bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken, bis 2050 um 85 Prozent. Darüber hinaus rechnen die Szenarien mit 4, 12, 20 und 28 Jahren Laufzeitverlängerung. Unklar sind die Vorgaben für die Steigerung der Energieeffizienz, also der Energieeinsparung. Im Szenario I (vier Jahre Laufzeitverlängerung) und im Szenario IV (28 Jahre) fehlt diese Maßgabe. In den anderen Szenarien werden 2,3 bis 2,5 Prozent Effizienzsteigerung pro Jahr vermutet. Im Referenzszenario wird eine Steigerung zwischen 1,7 und 1,9 Prozent zugrunde gelegt.

Zum Anteil erneuerbarer Energien hat die Regierung bis 2020 einen Anteil am gesamten Energieverbrauch von 18 Prozent vorgegeben, derzeit sind es zehn Prozent. Im „Nationalen Aktionsplan Erneuerbare Energien“, den Röttgen und Brüderle vor ein paar Wochen nach Brüssel geschickt haben, gehen sie jedoch bereits von einem Anteil erneuerbarer Energien von 19,6 Prozent bis 2020 aus. Bis 2050 sollen es 50 Prozent sein. Nach Informationen der „Zeit“ haben die Gutachter im Referenzszenario offenbar nicht eine „Fortschreibung“ der bisherigen Klimapolitik angenommen, sondern die völlige Stagnation oder gar eine Einstellung einzelner Elemente der Klimapolitik. Die Fraktionsvize von Bündnis 90/Die Grünen, Bärbel Höhn, sagte dazu: „Die Bundesregierung hat das Gutachten atomfreundlich konzipiert.“ Was die Zukunft der Kohle betrifft, unterstellen die Szenarien, dass die Speicherung und unterirdische Lagerung von Kohlendioxid (CO2) bis 2025 „marktreif zur Verfügung steht“.

Am heutigen Freitag gibt es zu dem Thema eine Anhörung im Bundeswirtschaftsministerium. Seit Monaten ist ein sogenanntes CCS-Gesetz (für Carbon Capture and Storage) in Arbeit, das vor allem die Grundlage für die Speicherung bilden soll. Besonders weit im Testen der CCS-Technologie ist die Berliner Vattenfall Europe AG. Bis 2015 will der Konzern, der die ostdeutsche Braunkohle verstromt, in Jänschwalde ein erstes großes CCS-Kohlekraftwerk bauen. Für die mit 1,5 Milliarden Euro veranschlagte Investition ist ein Gesetz unverzichtbar. Allerdings gibt es Widerstände von Bürgerinitiativen in Märkisch-Oderland und im Landkreis Oder- Spree, wo Vattenfall das CCS unterirdisch speichern will.

Die Industriezweige Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisen-Metalle, Papier und Stahl warnten am Donnerstag vor höheren Kosten. Bereits heute seien diese energieintensiven Branchen durch den Emissionshandel und die Subventionen für erneuerbare Energien „stark belastet“. Die geplante Erhöhung der Energiesteuer gefährde die Wettbewerbsfähigkeit von Branchen, die für Deutschland „lebenswichtig“ seien, „weil unsere Erzeugnisse in vielen Endprodukten stecken, die jeder Mensch täglich braucht“.

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