zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Energiekonzerne in der Kritik

EU-Kommission nennt Stromausfall „inakzeptabel“ / Heftige Vorwürfe von Verbraucherschützern

Berlin - Nach dem Stromausfall vom Wochenende wird die Kritik an den Energiekonzernen immer lauter. Die Ausfälle seien „inakzeptabel“, sagte EU-Energiekommissar Andris Piebalgs. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel warf den Unternehmen vor, ihre Leitungen zu vernachlässigen. „Wir wissen seit geraumer Zeit, dass wir Engpässe im Stromnetz haben“, sagte der SPD-Politiker im Norddeutschen Rundfunk. „Aber die Versorger haben nicht ausreichend dafür gesorgt, dass die Netze ausgebaut werden.“

In der Nacht von Samstag auf Sonntag war in weiten Teilen Westeuropas der Strom ausgefallen; rund zehn Millionen Menschen saßen bis zu eine Stunde im Dunkeln. Aus noch ungeklärter Ursache wurde der Stromausfall im Gebiet des Eon-Konzerns in Nordwestdeutschland ausgelöst, von dort breitete er sich in mehrere Bundesländer sowie nach Belgien, Frankreich, Spanien und Italien aus. Sogar in Marokko waren die Auswirkungen zu spüren.

Politiker werfen den Stromkonzernen nun vor, zu wenig in ihre Netze investiert zu haben. Deutschland und Europa hätten Anspruch auf eine anständige Stromversorgung, sagte der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Diesen Anspruch hätten die Energieversorger aber nicht erfüllt. Noch weiter ging sein niedersächsischer Kollege Christian Wulff (ebenfalls CDU): Er regte an, dass der Einfluss der Politik in der Energiewirtschaft hier und da unter Umständen wieder stärker werden müsse.

Die Branche selbst wies die Vorwürfe zurück. Eon-Chef Wulf Bernotat erklärte, dass die Ursache des Problems noch gar nicht gefunden sei. „Unsere Netze sind in keiner Weise marode. Sie sind in einem tadellosen Zustand“, sagte auch der Energieexperte der Aachener TH, Christoph Maurer. Die Unsicherheiten im Netzbetrieb seien vielmehr durch den Stromhandel und die Einspeisung von Windenergie entstanden. So gebe es bei der Windkraft unvorhersehbare Lastflüsse. Außerdem nehme die Belastung der Netze zu, weil Windstrom vor allem in Norddeutschland produziert werde, die Verbrauchszentren sich aber im Westen und Süden befänden.

Andere Fachleute halten es für unwahrscheinlich, dass Windräder den Stromausfall ausgelöst haben. „Diese Anschuldigungen sind nicht nachvollziehbar“, sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE), Peter Ahmels. „Weder hatten wir Starkwind, noch eine starke Stromnachfrage wie an Werktagen. Auch die Wetterprognose für das Windangebot war ausreichend, um die Netze sicher zu fahren.“ Auch nach Angaben des Verbandes der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber war die Windstromerzeugung in Deutschland am Samstagabend völlig normal.

Verbraucherschützer halten die angebliche Mitschuld der Windkraft deshalb für eine Scheindebatte. Es sei „grotesk“, dass die großen Versorger die Verantwortung „der Windenergie in die Schuhe schieben wollen, sagte Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Er hält vielmehr das Stromnetz selbst für „marode, weil zu wenig investiert wird“. Deutschland falle „auf den Stand eines Entwicklungslandes zurück, wenn wir so weitermachen“. Derzeit zahlten die Verbraucher 23 bis 32 Milliarden Euro pro Jahr für die Netze. „Davon werden nur 2,5 Milliarden Euro investiert. Das ist ein krasses Missverhältnis.“ Der Bundesverband der Verbraucherzentralen forderte, den Netzbetrieb eigentumsrechtlich von der Stromproduktion zu trennen.

Auf europäischer Ebene entbrannte derweil eine Diskussion über eine Vereinheitlichung der staatlichen Netzkontrolle. Kommissar Piebalgs sprach sich für eine gemeinsame europäische Verwaltung aus. Auch der italienische Ministerpräsident Romano Prodi und der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Claude Mandil, plädierten dafür. Der französische Premierminister Dominique de Villepin forderte, den Posten eines EU-Energiebeauftragten zu schaffen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false