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Der neue Mann. Peter Altmaier, seit Ende Mai Umweltminister, muss die Energiewende stemmen. Ob das gelingt, ist keineswegs ausgemacht.

© dpa

Energiewende: Die Stunde der Markt-Designer

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wird vom eigenen Erfolg bedroht. Gesucht wird jetzt ein neues „Marktdesign“, mit dem der Strom einigermaßen bezahlbar bleibt.

Die Zahl wird furchterregend aussehen, die das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) an diesem Montag in Berlin präsentiert. Im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) haben die Wissenschaftler die Kosten des Erneuerbare- Energien-Gesetzes (EEG) bis 2020 überschlagen. Die Botschaft der von der Metallindustrie finanzierten Studie ist absehbar: Das EEG macht den Strom für Firmen und Verbraucher unerträglich teuer und muss deshalb so schnell wie möglich verändert werden. Richtig in Schwung kommt die Diskussion dann am 15. Oktober, wenn die Bundesnetzagentur eine deutlich höhere EEG-Umlage für 2013 festlegt. Aber welche Energiekosten vertragen Wirtschaft und Gesellschaft?

Das EEG, eine Erfindung der rot-grünen Bundesregierung, ist ein toller Erfolg: Mehr als 25 Prozent des Stroms hierzulande stammt inzwischen aus Erneuerbaren und 2020 werden es mindestens 35 Prozent sein. Im EEG ist ein Einspeisevorrang für den Ökostrom sowie eine feste Vergütung geregelt. Und eben eine Umlage, mit der die Endverbraucher den Ausbau der Erneuerbaren finanzieren. Diese EEG-Umlage ist seit dem Jahr 2000 von 0,2 Cent je Kilowattstunde auf 3,592 Cent gestiegen und trägt damit gut ein Viertel zum Strompreisanstieg seit 2010 bei. Angela Merkel hatte im Zusammenhang mit der Energiewende eine konstante Umlage versprochen, doch für das kommende Jahr wird mit mindestens fünf Cent gerechnet. „Der Börsenstrompreis sinkt derzeit mit dem Zubau erneuerbarer Energien“, sagt DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert. „Je niedriger aber der Strompreis an der Börse, je höher die Umlage, da sich diese aus der Differenz zum Börsenpreis errechnet.“

Bildergalerie: Es fehlt an Geld und einem politischem Plan:

Es sind vor allem die privaten Verbraucher, die für den Erfolg der Erneuerbaren zahlen müssen, denn die energieintensiven Unternehmen werden geschont. Noch. Die Kritik an den Ausnahmen wird mit jedem Cent größer, den der gemeine Bürger mehr für die Kilowattstunde zahlt. „Mit Sorge“ beobachte man die Diskussion, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Tatsächlich würden weniger als 1000 Unternehmen ausgenommen von Ökosteuer, EEG- Umlage oder CO2-Zertifikate-Handel. Mehr als 99 Prozent der Firmen seien nicht entlastet und ächzten unter der stetig steigenden Belastung. Zum Beispiel im Maschinenbau:

Die Stärke der deutschen Industrie sind Wertschöpfungsketten, die enge Kooperation diverser Vorlieferanten und Endhersteller. Im Maschinenbau gibt es derzeit die Sorge, dass bestimmte Hersteller von Spezialstahl, die hierzulande ansässige Weltmarktführer im Werkzeugbau just-in-time versorgen, wegen der Strompreise ins Ausland verlagern. Die Wertschöpfungskette verlöre ein Glied und damit Stabilität. Darauf wird BDI- Präsident Hans-Peter Keitel hinweisen, wenn er am Dienstag im Kanzleramt mit führenden Verbands- und Gewerkschaftsvertretern alle möglichen Themen der Energiewende diskutiert.

Video: Stromversorger drohen mit Preissprüngen

Neben der Preisentwicklung und dem Netzausbau also auch Effizienzmaßnahmen sowie die künftige Rolle konventioneller, mit Gas oder Kohle befeuerter Kraftwerke. Und natürlich die Reform des EEG.

Quote als Alternative zum bisherigen Fördersystem

Stromversorger drohen mit Preissprüngen.
Stromversorger drohen mit Preissprüngen.

© rtr

Umweltminister Altmaier will bis Ende September „einen Verfahrensvorschlag zu einer grundlegenden Überarbeitung des EEG vorlegen“. Eine echte Reform wird es aber wohl erst nach der Bundestagswahl Ende 2013 geben. DIW-Wissenschaftlerin Kemfert findet das gut und warnt vor Eile, „da man ein kluges Marktdesign benötigt“. Damit meint sie Anreize für Investitionen in Erneuerbare, in Speicher, Netze und Gas-Kraft-Wärmekopplungsanlagen. Und Kemfert hat die Nachfrageseite im Blick: Energieintensive Firmen könnten möglicherweise ihren Verbrauch so steuern, dass sie viel Strom abnehmen, wenn Wind und Sonne viel produzieren. Und umgekehrt.

Bislang ist das Geschäftsmodell der Erneuerbaren so sicher wie das Konto bei der Sparkasse, aber deutlich profitabler: Der Absatz ist ebenso garantiert wie der Preis, die Nachfrage spielt keine Rolle. Mit Marktwirtschaft, also Preisfindung aus dem Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage, hat das so viel zu tun wie die Kühlschrankproduktion in der DDR.

Als Alternative zum bisherigen Fördersystem schlagen die Wissenschaftler vom RWI eine Quote vor. Danach bekommen die Energieversorger von der Politik Vorgaben, zum Beispiel 2020 mindestens 35 Prozent ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Welchen Strom sie von wem zu welchen Bedingungen beschaffen, bleibt dann den Unternehmen überlassen. Hier scheinen marktwirtschaftlichen Mechanismen und mithin eine höhere Effizienz möglich; auch in den Gewerkschaften hat die Quotenidee Sympathisanten.

Video: Stromversorger drohen mit Preissprüngen

Doch Nachteile gibt es auch. In Großbritannien habe eine Quote nur zu ein paar großen Windparkprojekten geführt, ansonsten sei dort so gut wie gar nicht in Erneuerbare investiert worden, sagt Kemfert. „Über Jahre wird ausschließlich in die billigsten Technologien investiert, ohne Innovationskraft und Kostensenkung“, warnt die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn. Und selbst beim BDI hält man einen radikalen Quotenschwenk für nicht hilfreich, zumal in dem Fall die teure Offshore-Windenergie keine Chance hätte. Angemessener sei die Vorgabe spezifischer Ausbauziele für bestimmte Energiearten. Auch für konventionelle: Denn ohne Gas und Kohle, da sind sich zumindest Gewerkschaften und Arbeitgeber einig, wird der Industriestandort die nächsten Jahre und Jahrzehnte nicht unbeschadet überstehen.

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