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Protest gegen die Kürzung der Solarförderung.

© reuters

Energiewende: Minister wollen Solarförderung kürzen

Der Bund will die Solarförderung leicht senken. Die Branche und einzelne Bundesländer protestieren. Bei der Energieeffizienz will die Regierung sich in Brüssel dafür einsetzen, dass alles bleibt, wie es ist.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) haben sich nach wochenlangen Verhandlungen bei zwei Punkten der Energiepolitik angenähert. Zum einen wollen sie möglichst schnell, am liebsten schon innerhalb von zwei Wochen, eine Kürzung der Solarförderung durch Kabinett und Bundestag bringen. Zum anderen formulierten sie eine gemeinsame Position für die Verhandlungen zur geplanten Energieeffizienzrichtlinie der EU.

Mit dem ersten Punkt provozierten sie am Donnerstag Protest bei SPD, Grünen, CDU-Länderchefs und Solarfirmen; beim Thema Energieeffizienz gehen sie auf Konfrontationskurs zu EU-Energiekommissar Günter Oettinger.

Bei der Förderung für Solaranlagen wollen die Minister das System umbauen: Statt vier soll es künftig nur noch drei Größenkategorien geben. Je nach Größe sollen die Fördersätze für Anlagen, die neu angeschlossen werden, um 20,2 bis 29,0 Prozent sinken. Besonders große Anlagen sollen künftig gar keine Förderung mehr erhalten. Sonnenstromerzeuger sollen auch nicht mehr komplett den produzierten Strom vergütet bekommen, sondern nur noch 85 bis 90 Prozent davon. Das soll sie animieren, mehr von ihrem Strom selbst zu nutzen.

Statt die Fördersätze für Solarstrom jährlich ein bis zwei Mal anzupassen, je nachdem, wie viele Anlagen hierzulande neu angemeldet worden sind, soll die Förderung ab Mai automatisch monatlich sinken – um 0,15 Cent pro Kilowattstunde. Zudem ist in den Vorschlägen ein Zielkorridor für den Zubau von Solarenergie festgelegt. Werden mehr Solaranlagen in Betrieb genommen, können die Sätze oder die Menge des geförderten Stroms zusätzlich gekürzt werden. Im ersten Jahr soll die Regierung das ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat per Verordnung machen dürfen.

Eine radikale Begrenzung der Förderung, wie von Wirtschaftsminister Rösler gefordert, ist damit vom Tisch. Die Novelle könnte mittelfristig sogar dazu führen, dass Solarstrom etwas weniger stark gekürzt wird, als im geltenden Gesetz vorgesehen – vorausgesetzt, die Deutschen verlieren nicht ihre Lust, Sonnenstromerzeuger zu werden. Und dazu besteht nach den Plänen wenig Grund. Für Privatleute lohne sich die Installation einer Dachanlage bis zehn Kilowatt Leistung trotzdem, sagte Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Denn man spare grundsätzlich Stromkosten, wenn man hausgemachten Strom erst einmal selbst verbraucht. Die Modulpreise seien in den vergangenen fünf Jahren zudem stärker gesunken als die Fördersätze.

Gleichwohl protestierten am Donnerstag bundesweit tausende Mitarbeiter von Solarunternehmen – etwa 70 auch in Berlin-Mitte vor der Bundespressekonferenz, während die Minister ihre Einigung verkündeten– knapp 100 auch in Berlin. „Was hier geplant ist, ist ein Solar-Ausstiegsgesetz“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, Carsten Körnig. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) lehnten die Kürzungen ab und warnten vor Schaden für ihre Solarstandorte. Zehntausende Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Verband der Energiewirtschaft (BDEW) hieß es dagegen, die Pläne gingen in die richtige Richtung.

Das Lob bezog sich vor allem auch auf die Einigung bei der Energieeffizienzrichtlinie. Rösler darf nun mit Billigung Röttgens im Energieministerrat fordern, dass der Artikel sechs des Richtlinienentwurfs gestrichen wird. Darin hatte Energiekommissar Oettinger vorgeschlagen, dass Energielieferanten jedes Jahr in einem Umfang von 1,5 Prozent ihres jährlichen Energieumsatzes Effizienzinvestitionen nachweisen müssen. In fünf EU-Mitgliedsländern gelten solche verpflichtenden Energieeinsparziele bereits mit dem Ergebnis, dass sich dort von staatlicher Finanzierung unabhängige Effizienzmärkte entwickelt haben. Rösler und Röttgen schlagen stattdessen vor, den Mitgliedsstaaten die Wahl zu lassen, ob sie innerhalb von drei Jahren ihren Energieverbrauch um 4,5 Prozent (also 1,5 Prozent im Jahr) senken, oder ihre Energieproduktivität um 6,3 Prozent (also 2,1 Prozent im Jahr) erhöhen wollen. Das bedeutet, dass die Effizienz abhängig vom Wirtschaftswachstum erhöht werden soll, was allerdings nicht zu absoluten Energieeinsparungen führen muss – bedenkt man, dass EU-weit die Energieproduktivität seit 1990 um 30 Prozent gestiegen, der Energieverbrauch jedoch auch: um zehn Prozent.

Felix Matthes vom Öko-Institut hat im Auftrag der Umweltstiftung WWF ausgerechnet, dass die 2,1 Prozent Effizienzsteigerung pro Jahr nur dann zur Erreichung des EU-Zieles führen würden, wenn das Wirtschaftswachstum unter 0,7 Prozent im Jahr bleibt. Das deckt sich mit den Berechnungen der EU-Kommission, hieß es am Donnerstag in Brüssel. Wie gering die Erwartungen an Deutschland mittlerweile sind, zeigte Günter Oettinger, der zum Kompromiss der Minister lediglich sagte, mit der Einigung „könne Deutschland in den Verhandlungen eine konstruktive Haltung einnehmen“.

Ob die Deutschen in den Verhandlungen überhaupt eine größere Rolle spielen, ist noch nicht ausgemacht. Bereits am kommenden Dienstag will der Industrieausschuss des Europaparlaments seinen Kompromiss beschließen. Und der sieht weiterhin eine verpflichtende Energieeinsparung von 1,5 Prozent im Jahr vor. So setzt Rösler vor allem auf den Ministerrat, wo „eine große Mehrheit gegen Artikel sechs ist“, wie er dem Tagesspiegel sagte.

Das Parlament dagegen lehnt ausdrücklich die Festlegung von Zielen zur Erhöhung der Energieproduktivität ab. Dagegen ist die Stimmungslage im Ministerrat eher gespalten. Röslers Eindruck über die Mehrheitsverhältnisse wird jedoch weder in der Kommission noch im Parlament geteilt.

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